Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1873)

uns aber der Blick in die Zukunft stimmen! Erst jetzt sind 
wir recht zur vollen Erkenntniß gekommen: wie uns die schwei- 
zerischen Hochbauten erdrücken, daß wir mit der Ausführung 
unserer Mittelhochwuhre gerade um 3 Jahre zu spät daran 
sind, und daß unS kaum ein anderes Mittel retten kann, als 
wenn wir eben so starke und hohe Wuhre ven jenseitigen ent- 
gegenstellen. 
(Fortsetzung folgt.) 
* Baduz, 9. März. (Eingesandt.) Heute hatten die Va- 
duzer eine neue und erhöhte Freude. Sie durften zum ersten 
Male ihre ausgezeichnet schönen Glocken hören. Um 1 Uhr be 
gann das herrliche Geläute mit der kleinsten Glocke; es folg- 
ten in kleinen Zwischenräumen die andern zwei, welchen der 
majestätische Baß der Großen zur allgemeinen Bewunderung 
sich anschloß. Wahrhaft feierlich und majestätisch erscholl daS 
Geläute vom hoben Thurme berab. Und der schlanke Thurm 
gab keinen Unwillen von sich durch Kopfschütteln; unbe- 
weglich, den ersten Schwingungen trotzend schien er selbst der 
metallenen Stimmen entzückende Harmonie mit Lust und Freude 
zu hören. 
Als am 27. Februar diese Glocken auf 2 gezierten Wägen 
gezogen von 8 geschmückten Pferden in Vaduz anlangten, war 
eS leider bereits dunkler und regnerischer Abend. Mit Böller- 
schüssen und begrüßt vom Geläute der drei alten Schwestern 
fuhren sie begleitet von der Harmonie der Vaduz-Blechmusik 
feierlich durch die Straße bis an ihren Bestimmungsort. Ein 
feierlicher Empfang war unstatthaft und keine Begrüßungsrede 
konnte mehr gehalten werden. Darum dürfte es nicht unziem- 
lich sein, einige Gedanken aus der bereiteten Begrüßungs 
ansprache zum Andenken und Nachdenken den Vaduzern nach- 
zutragen. Sie lauten: „Die lange ersehnte Stunde ist endlich 
gekommen, die unserer Gemeinde einen neuen Schatz, eine neue 
Zierde bringt. — Wessen Herz sollte nicht mit innigster Rühr- 
ung der Freude und des Dankes erfüllt sein, bei dem Anblicke 
der herrlichen Formen der neuen schönen Glocken, deren Guß 
unter Gottes Segen den trefflichen Meistern Graßmayr voll- 
kommen gelungen? Ihre harmonischen Töne werden unser 
Thal mächtig und freundlich weithin durchschallen, werden mit 
wunderbarer Kraft unsere Seele zu Gefühlen der Andacht, hl. 
Liebe und Freude anregen. — Darum Dank, unendlichen Dank 
vor Allem Gott dem Allmächtigen, der seinen himmlischen Se- 
gen zu diesem schönen. Werke gegeben! Zu seiner Ehre sollen 
ihre Töne durch die Lüste schallen, in den allgemeinen Lobge- 
sang einstimmen, den alle Geschöpfe ihrem Schöpfer darbringen. 
Dank, ewigen Dank unserem geliebten Vater, unserem Landes- 
fürsten Johann II. auch für diese so hochherzige, erhabene 
Wirkung frischte sich iit Angelas Innerm das Andenken aus an 
den unglücklichen Duvernet, und mit ihm das trostlose Gefühl 
der auf ewig zerstörten Liebe, die, die schönste Blüthe, aufgekeimt 
im jugendlichen Herzen. Immer höher stieg die Verstimmung der 
Ehegatten, bis es so weit kam, daß der Chevalier sein ganzes 
einfaches Leben langweilig, abgeschmackt fand, und sich mit aller 
Gewalt hinaussehnte in die Welt. 
Des Chevaliers Unstern fing an zu walten. Was inneres 
Mißbehagen, tiefer Unmuth begonnen, vollendete ein verruchter 
Mensch, der. sonst Croupier an des Chevaliers Bank gewesen, 
und der es durch allerlei arglistige Reden dahin brachte, daß der 
Chevalier sein Beginnen kindisch und lächerlich fand. Er konnte 
nicht begreifen, wie er eines Weibes halber eine Welt hatte ver- 
lassen können, die ihm. allein des Lebens Werth schien. 
Nicht lange dauerte es, so glänzte die Goldbank des Che- 
valiers Menars prächtiger als jemals. Das Glück hatte ihn 
nicht verlassen, Schlachtopfer auf Schlachtopfer fielen, und Reich- 
thümer wurden aufgehäuft. Aber zerstört, auf furchtbare Weise 
zerstört war Angelas Glück, das einem kurzen, schönen Glück zu 
vergleichen. Der Chevalier behandelte sie mit Gleichgiltigkeit, 
ja mit Verachtung! Ost sah sie ihn Wochen, Monate lang gar 
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Gabe. Dank, herzlichsten Dank, unserem hochverehrtesten Herrn 
Landesverweser Karl Haus v. Hausen, der sich um die- 
ses so ausgezeichnete Geschenk verdient gemacht! Dank endlich, 
tiefgefühlten Dank dem hochwürdigsten Herrn Bischof Johann 
Amberq von Feldkirch, welcher unsere Bitte erhört und das 
Erzeugni'ß menschlicher Kunst durch den hehren Akt der kirch- 
lichen Weihe geheiliget, zum gottesdienstlichen Gebrauche ein- 
gesegnet hat! 
Und nun, was rufen uns die Glocken zu? — Hört es, 
und vergeßt eS nimmermehr, mit jedem Klang mahnen sie unS: 
„ Zur Eintracht, zu herzinnigem Vereine 
Versammeln sie die liebende Gemeine. 
Und dies sei fortan ihr Beruf, 
Wozu der Meister sie erschuf! 
Hoch über'm niedern Ervenleben 
Soll'n sie im blauen Himmelszelt 
Die Nachbarn des Donners schweben 
Und grenzen an die Sternenwelt, 
Soll'n eine Stimme sein von Oben, 
Wie der Gestirne helle Schaar, 
Die ihren Schöpfer wandelnd loben, 
Und führen das bekränzte Jahr. 
Nur ewigen und ernsten Dingen 
Sei ihr metall'ner Mund geweiht, 
Und stündlich mit den schnellen Schwingen 
Berühr' im Fluge sie die Zeit. 
Und wie der Klang im Ohr vergeht, 
Der mächtig tönend ihr entschallt, 
So lehren sie, daß nichts besteht, 
Daß alles Irdische verhallt! 
Freude diesem Ort bedeute, 
friede sei ihr erst' Geläute. Schillers Glocke. 
Ja, Freude, Friede über alle 
Betreter hehrm Tempels Halle! 
Die 4 Glocken bilden eine ausgezeichnete Harmonie im 
Akkord von Ii dur Pariser Stimmung oder b dur alte Stimm 
ung. Ihr Gewicht ist zusammen 85 Zentner 19 Pfund. Es 
ist demnach das schwerste Geläute in unserem Ländchen. 
Eine Vergleicbung dieses Geläutes mit den früheren dürfte 
nicht ohne Interesse sein. 
Die ersten Glocken der gräflichen und fürstlichen Kapelle in 
Vaduz stammten nach ihren gothifchen Inschriften — ohne 
Jahrzahl — aus dem 14. Jahrhundert von ungefähr 1380 
bis 1390. Sie hatten ein Gewicht von 3 Zentner 95 Pfund 
und wurden am 10 Mai 1854 vom alten Thurme herabge- 
lassen und eingeschmolzen. 
nicht; ein alter Hausverweser besorgte die häuslichen Geschäfte,, 
die Dienerschaft wechselte nach der Laune des Chevaliers, so daß 
Angela, selbst im eigenen Hause fremd, nirgends Trost fand. 
Oft, wenn sie in schlaflosen Nächten vernahm, wie des Cheva- 
liers Wagen vor dem Hause hielt, wie die schwere Kasette herauf- 
geschleppt wurde, wie der Chevalier mit einsilbigen rauhe» Wor 
ten um sich warf, und dann die Thüren des entfernten Zimmers 
klirrend zugeschlagen wurden, dann brach ein Strom bitterer Thrä- 
nen aus ihren Augen; im tiefsten, herzzerschneidendsten Jammer 
rief sie hundertmal den Namen Duvernet, flehte, daß die ewige 
Macht enden möge ihr elendes, gramverstörtes Leben! 
Es geschah, daß ein Jüngling von gutem Hause sich, nach- 
dem er sein ganzes Vermögen an der Bank des Chevaliers ver- 
loren, im Spielhause und zwar in demselben Zimmer, wo des 
Chevaliers Bank etablirt war, eine Kugel durch den Kopf jagte, 
so daß Blut und Hirn die Spieler bespritzten, die entsetzt ausein- 
ander fuhren. Nur der Chevalier blieb gleichgiltig und fragte, 
als Alles sich entfernen wollte, ob es Regel und Sitte wäre, 
eines Narren halber, der keine Conduite im Spiel besessen, die 
Bank vor der bestimmten Zeit zu verlassen. 
Der Vorfall machte großes Aufsehen. Die versnchtesten, ab-
	        

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