Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1873)

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der. Die echten Radikalen, besonders aber das niedere Pariser 
Volk, find ungehalten wegen der Begnadigung, und b.ginjlen 
bereits die ganze Sache als eine Komödie der Herrschenden zu 
betrachten. Unter den Gebildeten und Verständigen fängt man 
dagegen an einzusehen, daß der Hauptzweck des Prozesses, Ba- 
zaine deS Einverständnisses mit dem Feinde zu überführen miß- 
lungen ist. Denn daß das Kriegsgericht nur wegen Kapitu- 
lation verurtheilte und die mildernden Umstände zugestehen 
mußte, geht aus seinem einstimmigen Antrag auf Begnadigung 
hervor. Bazaine ist also vollständig gerechtfertigt, und Frank- 
reich hat den Vortheil, daß der Prozeß seine innersten Gebre- 
chen vor aller Welt bloßgelegt hat. 
Uebrigens ist Bazaine bereits aus den militärischen Rang- 
listen gestrichen worden. Er und seine Gemahlin haben durch 
persönliche Besuche und schriftlich vielfache Sympathiebezeugungen 
erhalten, so von der Exkönigin Isabel!« und der Exkaiserin 
Eugenia :c Thiers hatte sich bei Mac Mahon ebenfalls für 
die Begnadigung des Marschalls verwendet Derselbe glaubt, 
daß der Prozeß trotz seiner langen Dauer noch zu wenig auf' 
geklärt sei Bekanntlich hat er s. Z. auf Bazaine's eigenen 
Wunsch eine Untersuchung über die Kapitulation von Metz 
veranstaltet, freilich in der Meinung, daß dabei Nichts heraus- 
komme. Einstweilen allerdings hat sich Thiers geirrt, aber die 
Zukunft, welche diesen Prozeß vielleicht einer Revision unter» 
stellen wird, wird ihm Recht geben müssen. Dies drückt auch 
Bazaine's Vertheibiger in einem Dankschreibeu an Thiers aus. 
Das bonapartistische „Pays" verlangt, daß der Staat die 
Kosten des Prozesses (Fr. 800,WO) übernehme und daß man 
nicht auch Bazaine's Familie ruinire. 
In drei französischen Departements wurden Deputaten- 
wählen vorgenommen. Das Ergebniß war für die Republi- 
kan?r günstig, indem alle vier Gewählten: Mareou, Bonnel, 
Calmon und Swiney dieser Partei angehören. Die Regierung 
hatte Nichts unterlassen, um ihre Eandidaten zu sichern, es ge- 
lang aber nicht. 
Italien. Am 22. Dezember wird der Papst 12 neue 
Kardinäle ernennen. 
Spanien. General Mariones hat einen Offizier nach 
Madrid geschickt, welcher der Regierung über die Operationen 
im Norden Bericht erstatten soll. Der Verlauf des Kampfes 
vom 9. U. ist schon in ziemlicher Klarheit bekannt. Während 
MarioneS nach hartnäckigem Gefecht Villabona einnahm, stürmte 
die Division Eatalan die Köhen von Belabieta. Hier setzte 
sich der Kampf mit wechselndem Glücke fort, bis endlich um 
5 Uhr die Regimenter Constitution und Tetuan die Earlisten 
zurückwarfen. Die Republikaner waren am Abend in Besitz 
der Ortschaften Billabona, Andoain, Aduna, Cizurquil und 
Astcusa, des Haupquartiers deS CarlistengeneralS Lizarraga. 
vielleicht lächelt uns das Glück holdmopsig wieder einmal! Viel- 
leicht wird noch einmal wieder irgendwo ein Fünftansendthaler- 
mops für vier Groschen verauktionirt! Wir müssen in Zukunft 
nur immer auf die Auktionen gehen!" 
„Du phantasirst, Bucephal! Ein solcher Mops kommt 
höchstens einmal in der Weltgeschichte vor." 
„Man muß sich in die Dinge schicken, wie sie sind!" sagte 
Bucephal mit Seelengröße. „Jedenfalls haben wir doch bei 
dieser Gelegenheit Jeder einen hübschen neuen Anzug gekriegt. — 
Um elf Uhr müssen wir fort! Mache dich fertig, Kalmäuser!" — 
Eine Stunde später befanden sich die beiden Studenten in 
einem Coupe dritter Klasse auf der Heimfahrt. 
Im - Dunkel der Nacht schlichen sie in des Bürstenbinders 
Haus, wo oben in der Stube der Mops noch wohlbehalten im 
Kleiderschrank stack Als Kassenrevision gehalten wurde, ergab 
sich ein Baarbestand von sie^enundzwanzig Silbergroschen. 
3. 
Am anderen Vormittage gegen zehn Uhr schritten «die beiden 
Die zunächstliegende Frucht deS SiegeS bei Belabieta ist die 
Entsetzung Tolosas. ES war hohe Zeit. Einwohnerschaft und 
Besatzung waren schon auf halbe Mehl- und MaiSrationen ge- 
setzt; am 1. Dez. waren 60 Granaten in die Stadt gefallen 
in der Nacht deS 6 Dez. angeblich 217. Die Schrecken der 
Nacht wurden durch sieben Feuersbrünste vermehrt, und am 
Morgen gewann die Verzweiflung fast die Oberhand, als die 
Beschießung plötzlich aufhörte. Lizarraga forderte die Stadt 
zur Uebergabe auf; der Kommandant aber war entschlossen, die 
sechs Tage, für welche er allenfalls noch Lebensmittel hatte, 
tapfer auszuhalten. Seine Standhaftigkeit wurde belohnt: am 
Abend des 9 Dez. zogen die Soldaten Loma's ein, von den 
Belagerten mit Jubel als Erlöser empfangen, und bald er- 
schienen auch die nicht minder ersehnten Proviantkolonnen. 
Von beiden Seiten stehen jetzt so starke Truppenmassen in die- 
sem Theile Guipuzcoa'S angehäuft, daß es wahrscheinlich in 
kurzer Frist noch weitere Kämpfe absetzen wird. — 
Wie amtlich gemeldet wird, ist der „Virginius" am 16. 
Dez. Morgens den amerikanischen Behörden ausgeliefert wor- 
den und sofort von Bahiahonda abgegangen. 
Rußland. Der dritte Sohn deS Kaisers von Rußland, 
Großfürst Alexis Alexandrowitfch, welcher erst vor kurzem von 
einer mehrjährigen Reife um die Welt auf der Fregatte „Swet- 
land" nach Rußland zurückgekehrt ist, hat, wie aus St. Peters- 
bürg gemeldet wird, Befehl erhalten sich zu einer neuen Reife 
um die Welt fertig zu machen. ES scheint demnach, daß die Hoff- 
nung auf eine Aussöhnung zwischen dem Kaiser und seinem 
Sohne sich als irrig erwiesen. Ueber den Grund der Mißhel- 
ligkeiten in der kaiserlichen russischen Familie, erfahre man von 
wohlonentirter Seite, daß dieselben durch eine heimliche Ver- 
mahlung entstanden sind, welche Großfürst Alexis ohne Wissen 
seiner Eltern mit der Hofdame Alexandrine SchukowSki, einer 
Nichte des russischen Finanzministers v. Reutern, eingegangen 
ist. Als der Kaiser Nachricht von dieser Mesalliance feines 
SohneS erhielt, war er aufs äußerste erzürnt und setzte alleS 
ili Bewegung um die Ehe annulliren zu lassen. Doch die beiden 
Neuvermählten hielten fest an ihren Verpflichtungen. Die 
junge Frau befand sich in Nizza, als Graf Peter Schuwaloff, 
der Vertraute des Kaisers beauftragt wurde, die frühere Hof- 
dame zur Lösung ihrer Ehe mit dem Großfürsten zu bewegen. 
Die Mission des Grafen Schuwaloff scheiterte. Die Hofdame, 
welche eines Knaben genesen war, blieb standhaft. Der Kai- 
fer schickte seinen Sohn auf eine Reise um die Welt, in der 
Hoffnung ihn auf andere Gedanken zu bringen. Doch dem 
scheint nicht so gewesen zu sein. Denn der Großfürst soll fest 
entschlossen sein seine Ehe mit Alexandrina SchukowSki auf- 
recht zu erhalten. 
Freunde in ihren schlechten Anzügen und mit guten Vorsätzen beladen 
durch die Severinstraße um auf den Anatomiesaal zu gehen. Als 
sie am Hause Nr. 93 vorbeigingen, kam ihnen lebhast die Vier- 
grosch'enzeit in den Sinn, in welche sie nun wieder hineingefallen 
waren, und die Fünftausendthalerepoche erschien ihnen fast wie ein 
feenhafter Traum. 
Sie waren noch nicht viel weiter gekommen, als eine bekannte 
Stimme hinter ihnen herrief: „Meine Herren! meine Herren!" 
Es war der Auktionator, Herr Hilbrecht, der ihnen nachlief. 
Die jungen Mediziner blieben stehen. 
„Paß auf!" flüsterte Bucephal seinem Freunde zu. „Die 
Mopsgeschichte ist noch nicht zu Ende!" 
„Ah, meine Herren," rief der Auktionator, als er ganz nahe 
gekommen war, sich an Kalmäuser wendend: „ich habe Sie in 
den letzten 6 Wochen gesucht wie eine Stecknadel!" 
(Fortsetzung folgt)
	        

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