Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1873)

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Bau der StaatSeisenbahn ausgeworfen werden. Die Regierung 
vertraut auf 'den Frieden, will sonach die Ausrüstungen weder 
beschleunigen noch die JahresauSgabe von 20 Millionen er- 
höhen. Zur Deckung deS Defi^it^ beantragt das Expose eine 
Steuerreform und keine neuen Steuern, sodann ein lieberem- 
kommen über eine durch ein Syndikat von sechs Elnmissionö- 
danken auszugebende und zu besteuernde Milliarde Papiergeld, 
gegen Verbot alles andern Papiergeldes. ^ 
— Die internationale Gotthardkommission hat die Subsi- 
dien für das erste Verwalnu-gSjaht 1873 festgesetzt und zwar 
zu 4.623,000 Fr. die Quote Italiens, 2,447,000 diejenige 
Deutschlands und 1,037,000 die der Schweiz. 
Spanien. Die Stadt Cartagena hat sich noch nicht 
unterworfen. Am 20. Nov. entdeckte man eine Verschwörung, 
welche von Seite der militärischen Insurgenten ausging und 
den Zweck hatte, den Regierungstruppen die Stadt zu überge' 
ben. Bei der Entdeckung wurden sämmtltche Offiziere lammt 
ContreraS gefangen genommen und nun ist der bürgerliche 
Theil der Insurgenten, mit Galvez an der Spitze, Meister. 
Am 23 machte derselbe einen Ausfall, mußte sich aber wie- 
der zurückzieden. 
.— Aus Madrid wird vom 2ö. Nov. gemeldete Auf Ver- 
langen der Befehlshaber de? englischen, französischen und ito< 
lienischen Geschwaders bewilligte der Oberbefehlshaber der $e- 
tagerungöarmee von Cartagena einen WaffenstiUstand von 
Mitternacht bis 4 Uhr Morgens zur Räumung der Statt von 
den Frauen, Greisen und Kindern. Gestein Abends dauerte 
die Beschießung fort, das Feuer der Aufständischen war min- 
der lebhaft. Als Morgens aber das Werfen von Geschossen 
anhaltende FeuerSbnuiste in der Stadt verursachte — wie es 
heißt, sind mehrere Häuser geplündert worden — wurde e n 
von dem Commandern: des italienischen Geschwaders geforderter 
neuer Waffenstillstand von dem OberdefeblSbaber der Belage- 
rungSarmee abgeschlagen, weil die Waffenstillstände für die An- 
griffsoperation nur von Nachtbeil seien, während sie für die 
Znsurgenten, welche zur Anschaffung von Munition und Le 
bensmitteln Gelegenheit fänden, nur von Nutzen seln könnten/ 
Aus Amerika schreibt man der „A Atlg. Ztg.": Die 
zwischen der spanischen und der amerikanischen Regierung in 
Sachen Cuba's ausgetauschten Mttlheiiungen sind, wie der 
amerikanische Berichterstatter der „Times" unter dem 24 Nov. 
meldet^ sehr freundschaftlichen CvaralterS, und man erwartet 
in Washington nunmehr eine friedliche Erledigung der Frage. 
Im Allgemeinen ist auch neuerdings die Stimmung ruhiger. 
Die Rüstungen der Flotte werden mittlerweile übugens ohne 
Unterbrechung sottgesetzt. Ein längerer diplomatischer Noten- 
Wechsel wird erwartet. Der spanische Kolenialminister meldet 
aus der Habana: die Wiedererstattung deS konfiszirten Eigen 
thums amerikanischer Besitzer nehme einen schnellen Fortgang. 
Im Kongreß' wird sich eine starke Friedenspartei geltend machen. 
Was die Zweifel der amerikanischen Regierung hinsichtlich der 
Nationalität des „Virginius" anbelangt, so beruhten dieselben 
auf einem Gerücht, daß das Schiff, welches allerdings ur 
sprünglich und auch bis zur Wegnahme amerikanische Papiere 
führte, im Frühjahr 1872 in Carayao an einen Cubaner, 
NamenS Q-uesada, verkauft worden fei und seitdem abwechselnd 
die cubanische Flagge und die Flagge von Venezuela geführt 
habe. Der Sachverhalt der Wegnahme wird von den ameri- 
kanischen Berichterstattern in der Hauptsache übereinstimmend 
folgendermaßen dargestellt: „Am 3l Oktober bekam die Cor- 
vette „Tornado", die nahe den AseuaoeS kreuzte, einen 
Dampfer in Sicht, dessen' Aeußeres ihr verdächtig erschien 
Der „Tornado" begann um halb 3 Uhr sofort die Jagd. Da 
er 14 bis 15 Knoten die Stunde segelte, so kam er dem 
Dampfer stündlich immer näher. Die Nacht brach herein, aber 
der Mond ergoß sein Licht über die Wellen und ließ die Um- 
risse beider Schiffe genau unterscheiden. Die Verfolgung dauerte 
bis !0 Uhr, zu welcher Stunde der „Virginius" nur noch 
einen Kanonenschuß vom „Tornado" entfernt war. Letzterer 
gab Feuer, als Aufforderung zur Uebergabe; aber man nahm 
keine Notiz davon. Es folgten noch 3 bis 4 Salven, dann 
war der Fang gemacht, ganz nahe an der Küste von Zawaica, 
etwa 20 Seemeilen davon, nach Angabe des Kommandeurs 
der Korvette. Die Leute an Bord deS „Virginius" setzten den 
Angreifern nicht den geringsten Widerstand entgegen; sie wur- 
den alle zu Gefangenen gemacht und an Bo^d des „Tornado" 
gebracht. Am t. November um 5 Uhr Nachmittags langte der 
„Tornado" mit feinen Gefangenen im Schlepptau in Santiago 
de Euba an. Die Aufregung, die hier herrschte, kann man 
sich denken. Die Leute wußten gar nicht, was anfangen, um 
so weniger, als man solcher Trophäen ungewohnt war. DaS 
Volk johlte, die Dampfer ließen ihre Dampfpfeifen erschallen, 
alle Glocken wurden geläutet; allmälig hißten alle spanischen 
Schiffe im Hasen so viele Flaggen auf, als sie nur auftreiben 
konnten. Der „Virginius" trug die wehende spanische Flagge; 
die amerikanische Flagge, die er während der Verfolgung auf- 
gehißt batte, hatte man um das Hackbold geschlungen. Er 
war so leck, daß man sich genöthigt sah, nach der Rückkehr 
nach Santiago ihn an's Land zu bugsiren. Ein Kriegsgericht 
hat am Morgen des 2. November das Verhör der Gefangenen 
begonnen, un> seitdem sind schon Nachrichten in der Habana 
eingelaufen, daß unsere Landsleute ihr Geschick ereilt hat." 
Verschiedenes. 
■ Dem Dichter Hermann Lingg wurde bei seiner diesjährigen 
Anwesenheit in Lindau, seiner Geburtsstadt, von dem Gesang 
verein „Liederkran," ein sinniger Festabend bereitet, an welchem 
Max Bruchs gewaltige Komposition deS Lingg'schen „Lied der 
Slädte" dem Dichter zum erstenmal zu Gehör gebracht wurde. 
Lmgg hat aus Dank für die ihm gebrachte Ovation dem ge- 
nannten Verein jüngst ein von Josef Rheinberger kom- 
ponirtes launiges Gedicht „Lob des SeeweinS" gewidmet, dessen 
originelle dem Text entsprechende Musik bei der ersten gesang- 
lichen Wiedergabe den größten Beifall errang. 
* Die Agitation unter ver Kasseler Frauenwelt zur 
Bestimmung von billigeren Preisen für die in den letzten Jahren 
ganz unerhört heraufgeschraubten Lebensmittel der Wochen- 
markte, wie Butter, Eier, Gemüse, Fleisch k. bat auch in 
Dortmund (in Westphalen) einen derartigen Anklang ge- 
funden, daß sich sofort mehrere Dortmunder Hausfrauen an 
den Vorstand der Kasseler Frauen gewendet haben, um mit 
ihnen die Einberufung eines Frauenkongresses zur Fest- 
steUung der Preise für die westlichen Provinzen Preußens zu 
berathen.- Dieser Vorschlag ist in Kassel, mit Jubel aufge- 
nommen worden, und mit Rücksicht auf die Bedeutung Dort- * 
mundS als wichtige industrielle Stadt, Dortmund selbst zum 
Orte des Kongresses gewählt worden. Als Tag ist der 7. De- 
zember festgesetzt. Mehrere der bedeutendsten Städte, wie Essen, 
Elberfeld, Düsseldorf, Crefeld, haben ihre Theilnahme durch 
Abgesandte zugesagt Ebenso werden welter alle Orte, welche 
;n Folge der wachsenden Industrie an Theurung leiden, zur 
Theilnahme durch Beschickung des Kongresses aufgefordert wer- 
ben, um den Druck auf die Händler so allgemein wie möglich 
zu machen. s 
Bis hieher ist die Sache gut und verdiente auch anderwärts 
Nachahmung; aber wir würden den Frauen Kassels und über- 
Haupt den Frauen und Töchtern eben so dringend die Beruf- 
ung eines Kongresses vorschlagen zu dem Zwecke, den so sehr 
grassirenden Modethorheiten in der Frauenwelt ein Ende zu 
machen; denn diese tragen zum Ruin der Familien reichlich so 
viel, wenn nicht mehr bei, als die leider so enorm gestiegenen 
Preise auch der unentbehrlichsten Lebensbedürfnisse. Ehre der 
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