Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1873)

militärische Auditorium schien dieser Aufzählung von Feldzügen 
und Großthaten mit Aufmerksamkeit zu folgen. Während der 
Verlesung der nun folgenden Aktenstücke nahmen die Züge des 
Marschalls wieder ihre bekannte eisige Ruhe an, und kein 
Zucken einer MuSkel feines Gesichtes verrieth, daß ihn der eine 
oder andere in dem Gutachten hervorgehobene Anklagepunkt 
irgendwie berühre, oder schmerzlich auf ihn einwirke. 
Der Prozeß wird reich sein an politischen Enthüllungen. 
Thiers hat alles aufgeboten, die Verweisung Bazaines vor 
daS Kriegsgericht zu Verbindern. „Dieser Prozeß" — erklärte 
er — „ist ein großes Unglück für das Land, denn der Mar- 
schall ist im Stand Enthüllungen zu machen, über die seine 
Richter selber staunen werden " 
Spanien. Neuerdings werden aus diesem Lande bedeu- 
tende Siege der republikanischen Regierungstruppen über die 
Karlisten berichtet. Die Regierung eines Castelar scheint die 
eines zähen Lincoln zu werden, der mit eiserner Ausdauer sein 
Ziel verfolgt und vor keinen Opfern zurückschreckt, wo es sich 
darum handelt, die geistlichen und weltlichen Feinde seines Va- 
terlandes niederzuschmettern. Auch scheint die spanische Regier- 
ung im Auslande Kredit zu genießen, und finanziell überall 
ihren Verpflichtungen nachzukommen. Die Karlisten, welche 
sich überall, so weit sie kommen, durch Plünderung ernähren, 
verlieren dagegen auch daS Vertrauen des Landvolkes je länger 
je mehr und erhalten sich nur noch wie die Banditen Italiens 
durch Plünderung und Raub. 
Rußland. Ueber die große volkswirtschaftliche Kata 
strophe, die Heuer in Folge der Mißernte über die meistene G- 
genden des fruchtbaren Süden Rußlands hereingebrochen ist, 
laufen immer trostlosere Berichte ein. Der ganze'Umfang des 
erlittenen Schadens läßt sich auch annähernd nicht bestimmen; 
so viel ist jedoch gewiß, daß in vielen Bezirken die HungerSnoth 
unausbleiblich ist, wenn nicht baldige und genügende Abhilfe ; 
getroffen wird. Wie große Mittel man gegen die Calamität 
wird aufwenden müssen, zeigt der Umstand, daß im Gouverne- 
ment Samara neun Zehutel der Bevölkerung in einer völlig 
hülslosen Lage sich befinden und daß dorr für einzelne Bezirke 
bis zu 2 Millionen Rubel als unbedingt nothwendige Unter-- 
stützungsgelder präliminirt werden. Die bulgarischen Colonisten 
ziehen mit Sack und Pack nach dem Kaukasus, um der drohen- 
den Gefahr zu entgehen. 
Amerika. Die Finanzkrisis in New-Nork scheint sehr tief 
in alle Verkehrsverhältnisse der Union einzugreifen und durch 
die energischen Maßregeln der Regierung noch nicht gehoben 
zu sein, das beweist die beabsichtigte Einberufung des Kon- 
ventS. Nach der übereinstimmenden Ansicht der Sachkundigen 
hat die Krisis ihren Ursprung der Ueberspekulation in Eisen- 
bahnpapieren zu verdanken, ein Beweis, daß nicht im Allge- 
meinen jeder Schienenweg dem Lande Wohlfahrt und Gedeihen 
bringt. Was die Rückwirkung auf Europa betrifft, so ist man 
für England nicht ganz ohne Besorgniß, dagegen habe man 
den Arzt rufen, damit er Ihnen einen kalten Umschlag verschreibt." 
„Lassen Sie mich Ihnen doch nur noch sagen —" 
„Für heute kein Wort mehr, morgen aber sehen wir uns 
wieder." 
Mit einer anmuthigen Verbeugung und dem freundlichsten, 
Glück verheißenden Lächeln verabschiedete sie sich von dem Lieute- 
nant, der ihr zärtlich die Hand küßte. Mit ihr zugleich ging 
auch die etwas kleinlaut gewordene Louise, welche das Fräulein 
begleitete, nachdem sie ihrem Geliebten eine mitgebrachte Erbs- 
wurst heimlich zugesteckt. 
Trotzdem der verwundete Offizier eine unruhige Nacht hatte, 
machte seine Genesung so schnelle Fortschritte, daß er schon nach 
vierzehn Tagen sein Bett verlassen konnte, was er wohl Haupt- 
sächlich der liebevollen Sorgfalt seiner ausgezeichneten Pflegerin zu 
verdanken hatte. Ihre bloße Gegenwart reichte hin, alle Schmerzen 
zu mildern und ihn gesund zu machen. Es war daher gewiß 
keinen Grund, die amerikanischen Ereignisse für Deutschland, 
Oesterreich und die Schweiz mit pessimistischen Blicken zu be- 
trachten. Die Agenten Amerika'S, meint daS Blatt, hätten in 
diesen Ländern wenig Absatz mit ihren Eisenbahnobligationen 
erzielt und auch der Waarenhandel werde schwerlich stark be- 
troffen sein. 
Verschiedenes. 
* Die schweizer, landwirthschaftliche Ausstellung in Wein- 
feld en. Am Tage der Preisverteilung für das Vieh waren 
in Weinfelden ca. 15000 Menschen versammelt. Die Aus- 
stellungsräume für das Vieh beherbergten nicht weniger als 
885 gekrönte Häupter. Die Rindviehstämme zerfallen in zwei 
große Abtheilungen: 
J) die Fleckvieh-Rasse, 
2) die Braunvieh Rasse 
Erstgenannte Abtbeilung begreift in sich den großen Berner 
Falbscheck- und den Freiburger Schwarzscheckschlag, den etwaS 
leichtern Frutigerschlag und die kleineren Gebirgsfchläge von 
Ormonds und Wallis. 
Die zweite Abtherlung umfaßt den großen Schwyzerschlag, 
die mittler« Schläge von Unterwalden und theilweise der öst- 
lichen Kantone, und den kleinen GebirgSschlag. 
Das Fleckvieh ist ganz von bedeutender Größe. ES gehört 
mit zu den schwersten europäischen Rassen. Der Gesammtein- 
druck auf den Beschauer ist ein imponirender. Die kolossalen, 
gestreckten, tief hinunter gewachsenen Thiere zeigen ein wohl- 
thuendes Ebenmaß in ihren regelmäßigen und schönen Körper- 
formen. Körperschönheit und Nutzbarkeit ist von großer Dauer. 
Als Hauptbeftrebung der gegenwärtigen Züchter der Fleck- 
vieh-Rasse ist die Einheit in der Farbe leicht zu erkennen, und 
zwar geht man darauf aus, Falbscheckev und „Falbblöschen" 
oder „Falbblassen" (falbe Thiere mit weißem Kopf) zu ziehen. 
Neben dieser Aufgabe haben sich aber die Züchter der noch viel 
schwereren unterzogen, und zwar nach dem Resultate der Aus- 
stellung zu schließen, mit glücklichem Erfolge, diejenigen Fehler 
fast ganz zu beseitigen, die man früher der in Rede stehenden 
Rasse immer und mit Recht gemacht hat: die Grobknochigkeit, 
den zu hohen Schwanzansatz, die grobe Haut und die „Lassen- 
Leerheit" oder schlecht entwickelte Wampe. Dabei wird aber 
kein Rassen-Vorzug vernachlässigt. 
Die Schwarzschecken scheinen immer mehr zu verschwinden, 
ausgenommen den-Kanton Freiburg, wo sie übrigens auch 
sehr stark in der Abnahme begriffen sind. 
Das Braunvieh ist einfarbig, vom hellen Grau bis in'S 
Schwarzbraun übergehend. Hier ist die Farbe ein noch weit 
wichtigerer Züchtungsgrundsatz als bei der Fleckrace. Der ita- 
lienische Händler sucht mit skrupulösem Kennerblick Thiere von 
nur in der Ordnung und Christenpflicht, daß sie soviel als möglich 
und schicklich in seiner Nähe weilte 
Natürlich galt sein erster Ausgang der Frau Geheimräthin 
v. Schmerling, mit der er eine lange und sehr ernsthafte Unter- 
redung hatte, worauf die alte, höchst gutmüthige Dame ihre Nichte 
rief und an dieselbe einige sehr verfängliche Fragen richtete, welche 
diese erröthend zur allseitigen Zufriedenheit beantwortete. 
Eine Woche darauf las man in den Zeitungen: „Als Ber- 
lobte empfehlen sich Alfred v. Hartleben, Bertha v. Linken." 
„Das haben wir gut gemacht," sagte Hans Grützner zu seiner 
Louise am Verlobungstage. 
„Wir!" versetzte sie schnippisch. „Du meinst wohl mir." 
„Und die Feldpost! Sie soll leben und das Brautpaar 
daneben!"
	        

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