Politische Rundschau.
Deutschland. Der deutsche Kaiser wird am 15. Oktober
von Baden-Baden nach Wien reisen. Fürst Bismarck wird
zu gleicher Zeit dort eintreffen.
: Die Vereidigung des altkatholischen Bischofs ReinkenS fand
am 7. Oktober durch den Kultusminister Dr. Falk statt.
Frankreich. Die „Opinione nationale" spielt auf die
großartigste Bestechung an, welche von den Häuptern der
Monarchisten inS Werk gesetzt wird, um eine große Anzahl
Deputirter für die Restauration zu gewinnen. Es sollen zum.
Ankauf von Stimmen bereits 15 Millionen Franken baar ver-
ausgabt sein und die gleiche Summe könne noch zu demselben
Zweck verwendet werden. Die monarchische Partei sitzt eben
an der Regierung und hat alle Bestechungsmittel zur Hand,
vom Ministerportefeuille und einem Gesandtschaftsposten für die
Deputaten bis zum Tabakverkauf für Kleinbürger herab. Und
weil die Verschwörer diese Mittel besitzen und sich auf den
Egoismus der Menschen stützen, treten sie um so siegesgewisser
auf. Die republikanische Partei sieht darum auch voller Be-
sorgniß auf das linke Zentrum und befürchtet, es könnte darin
eine große Anzahl Deputirter sein, die sich, wie Target und
Genossen am 24. Mai den Ausschlag gegeben haben,' auch
bestimmen lassen, die Majorität für die Restauration zu ver-
vollständigen.
Durch die Veröffentlichung des Briefes des Hrn. Thiers
an den Maire von Nancy ist das Vertrauen der Republikaner
bedeutend gewachsen, in ihrem Lager wird jetzt nicht mehr am
Siege gezweifelt. Die Fusionisten dagegen, welche noch kurz
zuvor erklärten mit einer Mehrheit von mindestens 100 Stimmen
die Monarchie proklamiren zu können, sind etwas kleinlauter
geworden, meinen aber des endlichen Sieges doch sicher zu
sein. Es zeigt sich, daß die republikanische Partei gut ge-
schult und disziplinirt ist ; das klügste was sie thun kyn^e,
that sie, indem sie Hrn. Thiers an die Spitze der Bewegung
stellte. Nun soll demnächst eine Versammlung der drei repu
blikanischen Gruppen stattsinden, in welcher die Allianz fest ge-
schlössen und der Feldzugsplan bestimmt werden soll. Bon
großer Bedeutung ist die Haltung des linken CentrumS, es
scheint sicher zu sein, daß dieses in seiner Gesammtheit für die
Republik einsteht. Auch die Hoffnung aus einen Theil der
Bonapartisten haben die Royalisten wohl jetzt aufgegeben, denn
die Sprache der tonangebenden Blätter, wie „Ordre" u. „Pays,"
läßt an Entschiedenheit nichts zu wünschen. Während wir
so in dem der Restauration feindlichen Lager alles in der
Hauptfrage einig sehen scheint in dem entgegengesetzten Heer»
lager noch immer über die wichtigsten Fragen keine Uebereinstim-
lUUNg erzielt zu sein. Man soll dort noch immer in der
Nachforschung nach einer Formel begriffen sein, welche alleElemente
vereinigen könnte. Außer der Fahnenfrage ist auch die Ver-
faffungsfrage noch nicht gelöst. So scheinen die Dinge noch
vermochte. Ein Blick auf ihn und auf das bestürzte Dienstmäd-
chen sagte ihr, daß er bereits Alles wußte.
„Können Sie mir einen losen Scherz verzeihen?" fragte sie
erröthend.
„Ihm verdanke ich die schönsten, die glücklichsten Augenblicke
meines Lebens," erwiederte er mit wahrer Innigkeit. „Ihre Briefe
waren meine einzige Unterhaltung vor Paris und gewährten mir
den höchsten Genuß durch ihren Geist, Witz und Humor."
„Darin waren Sie mein Meister," versetzte sie artig.
„Und Sie mein Vorbild, das ich jedoch vergebens zu erreichen
suchte."
„Sie sind zu bescheiden, Herr Lieutenant!"
„O, mein gnädiges Fräulein! Wenn Sie wüßten, mit welcher
Sehnsucht ich die Ankunft der Feldpost erwartete, welch Vergnü-
gen mir Ihre Zeilen bereiteten, wie sehr ich meinen Burschen
darum beneidete —"
beute zu liegen, aber nach den vielen Wandelungen, welche die
Restaurationsangelegenheit schon durchgemacht hat, wer kann
sagen wie sie am 5. Nov, dem Tage des Wiederzusammen-
tritts der Nationalversammlung, stehen werde?
Der Graf Ehambord hat, wie der „Francis" meldet,
Frohsdorf verlassen, ohne anzuzeigen wohin er sich begeben
hat. Nur seine intimsten Freunde kennen seinen Aufenthalt,
und man weiß bloS, daß er in Oberösterreich zu suchen ist. —
Royalisten und Republikaner sagen sich jetzt gegenseitig nach,
daß bei ihnen die größte Konfusion herrsche.
Fast noch mehr als die Restaurationsversuche in Frankreich
zieht gegenwärtig der Prozeß gegen den Marschall Bazaine
die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich. Wir haben in der
letzten Nummer unseres Blattes die Hauptanklagepunkte, die
gegen den Marschall vorgebracht wurden, mitgetheilt
Der Marschall ist für alles verantwortlich; für den Verlust
der Schlacht bei Forbach, für die Niederlage des 18. August
bei St. Privat, für die Niederlage bei Sedan und selbstver-
ständlich für alle der Kapitulation von Metz folgenden Nieder-
lagen. Er ist der große Sündenbock der französischen Armee
von 1870 und 1871.
Marschall Bazaine, der Angeklagte, ist 62 Jahre alt, von
denen er volle 42 den Soldatenrock trug. Er begann seine
militärische Laufbahn als ein einfacher Troupier im 38 Linien
regiment (28 März 1831) Nach acht Dienstjahren hat er
es zum Kapitän gebracht; in 10 weiteren Jahren war er Oberst-
lieutenant; 1854 hatte er schon den Rang eines Brigadegenerals
und der mexikanische Feldzug trug ihm den Marschallsstab ein,
auf dem in Gold gravirt steht, »simple soldat en 1831, rna-
r^chal de Frsface en 1864" Mit der letzten für ihn selber
wie für Frankreich so unglücklich abgeschlossenen Campagne hat
Bazaine acht Feldzüge und 35 Kriegsjahre nebst sechs mehr
oder minder schweren.Verwundungen in seiner bagage militaire.
' In. feinem neuen Haftlokal in Trianon-sous>Bois lebt er ganz.,
wie in dem Häuschen der Avenue de Picardie. Er geht früh
schlafen und ist um 6 Uhr Morgens wieder auf; die Zeit
vertreibt er sich mit langen Späziergängen unter den Augen
zahlreichen Schildwachen und der Unterhaltung mit seinem frei-
Willligen Haftgenossen, dem Oberstlieutenant Villette. Die Wacht-
Mannschaft hat zur Nachtzeit die Gewehre scharfgeladen, und den
gemessenen Befehl auf Jeden ohne Unterschied Feuer zu geben,
der den dreimaligen Wer da? Ruf unbeantwortet läßt Die
Küche wird für den inkriminirten Marschall wie in seinem
früheren Gefängniß von auswärts besorgt. Er ist fest über-
zeugt, daß ein freisprechendes Urtheil über ihn erfolgt.
Noch ist hervorzuheben, daß der angeklagte Marschall der
Verlesung seines Dienstetats aufmerksam folgte, sein Gesicht
schien etwas von Wolken umzogen, er fuhr zu verschiedenen-
malen unruhig mit der Hand über die Stirn, als ob er un-
liebsame Gedanken von dort verscheuchen wollte. Meist aber
hielt er die Linke fest an die Lippen gedrückt. Auch das aanze
„Das glaube ich Ihnen gerne," ewiederte sie mit liebens-
würdiger Naivität, „da es mir ganz ebenso ergangen ist."
„Wirklich" rief der entzückte Offizier. „Ich dachte nur —"
„An unsere Louise," lachte sie schelmisch.
„Nur Ihr Bild umschwebte mich und meine Phantasie schmückte
dasselbe mit allen Reizen und doch erscheint es mir nun arm
und dürftig gegen die Wirklichkeit."
„Sie wollen mich nur für meine Mystifikation jetzt strafen
und sich über mich lustig machen."
„Nein, nein!" fuhr er fort, indem er ihre Hand ergriff, die
sie ihm willig überließ. „Ein günstiges Schicksal hat meinen
heißesten Wunsch erfüllt. Es ließ mich in Ihnen jene geheim-
nißvolle, interessante Briefstellern und zugleich die edelste, anmu-
thigste —"
„Halten Sie ein!" unterbrach sie ihn lachend. „Sie reden
im Wundfieber, und wenn Sie nicht bald aufhören, so muß ich