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Am Jahrestage von Sedan wurden überall Siegesfeiern
begangen, namentlich glänzend in Stuttgart und Berlin, wo
der Kaiser daS Zeichen zur Enthüllung des neuen Siegesdenk-
mals gab.
Oesterreich. Das Haupttagesgespräch in allen Zeitrmgen
ist die in diesem Monate noch auszuführende Reise des Königs
Viktor Emanuel nach Wien und Berlin. Er gebt nicht allein,
sondern nimmt zwei in der Dplomatik bewanderte Staads-
männer mit, was den Verdacht, seine Reise habe einen politischen
Zweck, nur verstäiken kann Manche wollen wissen, es werte
bei dieser Gelegenheit zum Abschlüsse eines förmlichen Sch'tz-
und Trutzbündnisses zwischen Oesterreich, Deutschland und Ita
lien kommen. Jedenfalls scheint es sicher zu sein, daß die
Häupter dieser 3 Staaten, wenn eS vielleicht auch nicht zu
einer förmlichen Allianz kommt, so doch zum Mindesten eine
gewisse engere Freundschaft schließen werden, die dazu dienen
kann, allenfallsige Kriegsgelüste des unruhigen Frankreichs in
Schach zu halten.
Aus Rom wird der „Nazione" in Florenz offiziös ge-
schrieben: die Reise des Königs nach Deutschland sei ein Unter-
Pfand und eine Garantie des Friedens für Italien und ganz
Europa, wenn, wie dies wahrscheinlich ist, die drei Souveräne
von Deutschland, Oeftetnich und Italien sich zu Verträgen
einigen, kraft beten sie (ich gegenseitig ihre Rechte und Te?ri-
torien garantiren und verpflichten, in ihren Staaten die Armee
auf den für die innere Landessicherheit nöthigen Stand herab
zu setzen.
In Wien etkrankten vom 16. Juli bis 21. August 1188
Personen, gestorben 929 Personen; in einem einzigen Hause
an der Schimmelgasse in Wien sind 129 Personen an dieser
Krankheit gestolben.
Bei der Wiener Weltausstellung, wo Punkts Ehrlichkeit
Alles fein säuberlich zuzugehen schien, sind plötzlich 6 Kassiere
eingesteckt worden. Die Unterschlagungen sollen systematisch
schon seit Anfangs Juli betrieben worden sein.
Der österreichische Silbergulden ist nun auch in Deutschland
entwerthet worden. Der wirkliche Silberwerth ist 1 fl. ¥ 10 fr.
süddeutsch, = 20 Silbergroschen. = 2 neue Mark oder 2%
Franken, nun wird er in Deutschland nur für 1 fl. 6 kr. füN
deutsch oder 19 Silbergroschen angenommen. Die Ursache ist
die, daß Deutschland bei Einführung seiner neuen Wahrung
sich das ausländische Silbergeld vom Halse schaffen will.
In Folge dessen strömen natürlich die Silbergulden nach
Oesterreich zurück und hieraus resultirt auch das neuliche Sinken
deS Sllberkurses.
Frankreich. In Luneville wurden wieder drei friedliche
Deutsche von einem wüthenden Pöbelhaufen von bei 3009 Men-
fchen auf brutale Weile mißhandelt, mit Fäusten geschlagen und
Weiß gehüllte Lnadschast, die grundlosen Wege, welche den Ver
kehr mit den Kameraden erschwerten und das Ausbleiben aller
Nachrichten aus der Heimach, um den fo lebenslustigen Lieutenant
vollends zu verstimmen.
Plötzlich schmetterte ein heller Ton aus der Ferne, bei dessen
Klang der verzweifelnde Offizier von dem zerrissenen Sopha aus-
fuhr, während der Bursche sein breites Gesicht zu einem freund-
lichen Grinsen verzog.
„Es wird Allarm geblasen," sagte der Lieutenant aufgeregt.
„Gott Lob, daß wir wieder zu thun bekommen! Sattle den
Schimmel und halte Alles parat."'
„Zu Befehlen, Herr Lieutenant," versetzte Hans Grützner,
ohne sich vom Fleck zu rühren.
„Hast Du denn nicht gehört was ich gesagt, habe? Ich glaube,
daß Du vom vielen Schießen taub geworden bist."
„Umgekehrt wird ein Schuh daraus," erwiederte der ver-
wöhute Bursche. „Mein Gehör ist ^anz gut, aber der Herr
Lieutenant scheinen^, mit Respekt zu melden, an Ohrverstopfung
zu leiden."
mit Koth beworfen. Fast hätte man sie in's Wasser geworfe«.
Einen französischen Kapitän, der sie beschützte, wollte der
wüthende Haufe als „Preußen" mithineinwerfen. Mit Mühe
wurden die Armen gerettet
„Ist es möglich, mit den Franzosen vernünftig zu sprechen?"
fragt die Mailänder „Perseveranza", ein ungemein franzosen-
freundliches Blatt, in eimm Articolo di fondo, zu Deutsch:
Leitattikel. „Es ist eine leine Unmöglichkeit. Sie lesen nicht,
oder, wenn sie lesen, so lesen sie nur sich selbst. Sogar wenn
sie wissen wollen, wa6 Andere denken, so ziehen sie vor, sich
irgend etwas einzubilden, statt gründlich auf den Gedanken
Anderer einzugehen. Und ist einmal eine Phrase aus ihrem
Munde herausgekommen, so kann keine Macht in der Welt sie
bewegen, von derselben abzulassen. Denn sie hören auf nichts,
da sie zu sehr durch den Lärm zerstreut sind, den ihre eigenen
Borurtheile in ihrem Kopfe erzeugen. In der That, ein merk'
würdiges Volk! Bei der größten intellektuellen Lebhaftigkeit ist
es durch diese ihm eigemhümliche Unfähigkeit, in die Denk-
und Empfindungsweise anderer Völker einzugehen, ganz in sich
selbst eingeschlossen und beschränkt und gleicht in Allem und
Jedem, was es als Gesammtheit thut, einem Vulkan, dessen
innerliches Feuer sich nur durch fernes, dumpfes Grollen ver-
räch, bis der Auebruch erfolgt und nicht nur die Ebenen ringS
umher, sondern auch die eignen Abhänge ve; wüstet."
Einen erheitelnden Beitrag zur Fusionöfrage liefert ein
Pariser Blatt, welches ausgerechnet hat, in welchem Verwandt-
schastsgrad der Graf von Paris zu Chambord stehe. Die Rech-
Aung ergibt: im sechzehnten! Der gemeinsame Ahnherr ist
Ludwig XIII. Von diesem abstammend sind die Vorfahren
Chambords: Ludwig XIV., der Graf Dauphin, der Herzog
von Burgund, Ludwig XV., der Dauphin, Karl X., der Her-
zog von Bcny. Die Vorfahren des Grafen von Paris sind:
Philipp von Orleans, der Regent Ludwig, Ludwig Philipp I.,
Philippe Egalite, König Ludwig Philipp, der Herzog von "
Orleans Wäre Frankreich eine Meierei, die Chambord gehörte,
bemerkt das republikanische Blatt, und Chambord stürbe, so
würde nicht der Graf von Paris die Meierei erben, sondern
sie fiele an den Staat zurück, denn ein Artikel des Code be-
sagt, daß Verwandte in einem weitern als dem zwölften Grad
nicht erbfähig sind
Die letzten 250 Millionen der Kriegsschuld sind nach Straß-
bürg abgegangen. Der eiste Zug mit deutschem Kriegsgeräthe
verließ Verdun am 30. August; die Räumung aber wird wohl
nicht vor dem 19. September vollständig beendet sein.
Schweiz. Der prejektirte internationale Post-Congreß in
Bern ist vertagt worden. Die Aufnahme, welche die Einla-
dungsschreiben von den einzelnen Regierungen empfangen ha-
ben, ist eine äußerst günstige gewesen Von 18 Staaten haben
' 11 " n—
„Du wirst mich noch rasend machen mit Deiner Unver-
schämtheit!"
„Zu Befehlen, Herr Lieutenant. Aber mit den Franzosen
ist es diesmal Essig; die denken nicht daran, uns bei dieser Hunde-
kälte anzugreifen. Sie haben noch an der letzten Keile genug."
„Aber ich glaube doch deutlich das Signal gehört zu haben "
„Es wird wohl eine optische Täuschung gewesen sein," ent-
entgegnete dcr gebildete Berliner, der sich mit besonderer Vorliebe
solcher fremder Worte bediente, wobei es ihm auf eine Verwechs-
lung der Begriffe nicht ankam.
Zum zweiten Male schmetterte es durch die kalte Winternacht,
diesmal aber so klar und deutlich, daß man die Töne besser un-
terscheiden konnte.
„Merkst Du was!" brummte der Bursche, seinen Herrn
spöttisch von der Seite anschielend.
„Die Feldpost!" rief dieser elektrisirt.
„Die Feldpost!" wiederholte das Echo in triumphirender
Weise.
„Schnell! — frage ob für mich Briefe mitgekommen sind!"
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