Volltext: Liechtenstein - 10 Jahre im EWR

bleibt als solche unstreitig, sie wurde in den letzten Verträgen – den je ni - gen von Nizza – so verbindlich gesichert, dass sich am euro pä ischen Zu - stand faktisch nichts geändert hat. So wenig, dass man im Rück blick das ehrgeizige Verfassungs-Unternehmen auch als Luxus be trach ten darf, den sich die Union weder leisten konnte noch musste und mit dem sie sich jedenfalls zu früh und zu mutwillig von den wahren Sorgen der euro päischen Bürgerinnen und Bürger entfernt hat. Ruhig betrachtet, lässt sich durchaus nichts am Nein zweier Völker als anti-europäisches Votum auslegen. Es hat weder den Binnenmarkt noch die Währungsunion ausser Kraft gesetzt und setzen wollen. Wahr ist allerdings: die Neinsager – und sie wären, würden sie gefragt, wohl auch in Deutschland und andern Ländern Westeuropas die Mehrheit – wünschen sich ein 
anderesEuropa. Und insofern hat ihr Nein in der Tat eine nicht nur atmosphärische, es hat eine kulturelle Bedeutung – und lässt zugleich die 
politischeTragweite des Wortes «Kultur» erkennen. Wahr ist auch: wie Europa auf das Signal adäquat antworten soll, ist einst weilen noch nicht zu erkennen. Es fehlt ihm sehr merklich das geis - tige Instrumentarium dafür; von Machern und Schlaumeiern ist es nicht zu erwarten, und mit Pannenhilfe ist es nicht getan. Ich gehöre zu denen, die den unüberhörbaren Alarm aus Frank - reich und den Niederlanden nicht, und bei gebührendem Nachdenken immer weniger, als Unglück betrachten. Ein Organismus, der über sei - nen Zustand keinen Schmerz melden könnte, kein Defizit mehr einzu - klagen wagte, wäre auch nicht mehr recht lebendig. Es sind die schlech - testen Europäer nicht, die gegen die Zumutung der Anästhesie aufbe geh - ren, wenn es um den Kern der europäischen Sache geht. Und dieser Kern bleibt – um es in den Worten der amerikanischen Unab hän gig keitserklä - rung zu sagen – 
the pursuit of happiness. Auch der Erfolg einer Staaten - ge meinschaft kann, unterm Strich, nur an diesem Ziel ge mein schaft - lichen Glücks gemessen werden. Mit diesem Mass steht und fällt der Sinn, den die Bundesglieder in ihrem Zusammenschluss sehen und spü - ren können – oder eben nicht. Dass die von Brüssel gesteuerte Union diesem Ziel viel schuldig geblieben ist, muss sie jetzt wohl oder übel dem Votum ihrer Bürger entnehmen, wenn diese endlich einmal gefragt wer - den. Sie muss erfahren, dass sie ihr Europa über Köpfe und Herzen hin - weg verwaltet und das, was hier «Glück» genannt wurde, nicht ernst ge - nommen hat. Sie muss sich vorwerfen lassen, dass sie die guten Gründe für ihre Gemeinschaftspolitik, aber noch mehr: ihre Problematik, ihre 12Adolf Muschg
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.