eines grossangelegten Konfliktes nicht gewährleistet. Dies galt unab hän - gig davon, ob dieser Konflikt mit nuklearen oder mit konventionellen Waffen ausgetragen worden wäre. Heutzutage ist für sämtliche europäischen Kleinstaaten ersichtlich, dass militärische Verteidigung nur noch in Kooperation mit anderen Län dern zu bewerkstelligen ist. Das Dilemma der Wahl zwischen Auto - no mie und Einfluss, dem sich insbesondere Kleinstaaten in der Ver gan - genheit gegenüber sahen, stellt sich in diesem Bereich nicht mehr: Es gibt nur noch die Option gemeinsamer Anstrengungen zur Verteidigung. Kleinstaaten sollten primär darum bemüht sein, ihren Einfluss im Rahmen kooperativer Verteidigungsbestrebungen geltend zu machen. Vor allem neutrale und ehemals neutrale Staaten sollten sich dafür ein - setzen, dass Verteidigungskooperationen von Drittstaaten nicht als Be - dro hung, sondern als Selbstschutzbestrebungen perzipiert werden, die hauptsächlich das Ziel verfolgen, regionale Stabilität und Sicherheit zu gewährleisten. Aufgrund ihrer «historischen Verwundbarkeit» sollten Klein staaten ein besonderes Interesse für solche Bemühungen aufbrin - gen. Wichtigste Ziele sollten die Verteilung der Kosten und die Koor di - na tion regionaler friedensfördernder Massnahmen sein. Von sekundärer Bedeutung sind demgegenüber militärische Beistandsklauseln, die zu - dem auch aus historischen Gründen von Drittstaaten eher als Bedro - hung wahrgenommen werden. In bezug auf die NATO heisst dies, dass Kleinstaaten durchaus eine differenzierte Annäherungsstrategie an das Bünd nis verfolgen können, indem sie Mitwirkungsmöglichkeiten an so- genannten «out-of-area» Einsätzen suchen, ohne jedoch eine Vollmit - glied schaft anzustreben. Mit Blick auf die EU entspricht das Konzept ei- ner «Zivilmacht» den Bedürfnissen von Kleinstaaten am meisten.7Dem - zu folge sollte die Anwendung militärischer Instrumente grund sätz lich nur als letztmögliches Mittel in Frage kommen und dies nur beim Vorliegen einer entsprechenden Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates. Noch divergieren die diesbezüglichen Ansichten der EU-Mitgliedstaa - ten, wie die unterschiedlichen Reaktionen auf die Irak-Intervention der USA im Frühjahr 2003 zeigten. Die progressiven institutionellen Refor - men der Gemeinsamen Aussen- und Sicherheitspolitik (GASP) lassen 230Laurent
Goetschel 7Kirste/Maull, Zivilmacht und Rollentheorie, in: Zeitschrift für internationale Be zie - hungen, 3 (2), 1996, S. 283–312