Volltext: Der Kleinstaat als Akteur in den Internationalen Beziehungen

4. Der Kleinstaat als Begleiterscheinung kollektiver Emanzi - pa tionsprozesse Man ist leicht versucht, in den vielfältigen Sezessionsbestrebungen vor- rangig das Werk rückständiger Ethnien oder unbelehrbarer «Natio na lis - ten» zu sehen, die mit ihrem gruppenegoistischen Verhalten das Friedenskartell der bestehenden Staaten unterminieren. Dadurch ver - baut man sich aber das Verständnis dafür, dass hier durchaus Forderun - gen auf kollektive Selbstbestimmung angemeldet werden, die – in voller Paral lele zu 
individuellenAutonomieansprüchen – ihren Ursprung eben falls in neuzeitlichen Emanzipationsprozessen haben. Tatsächlich stellt die seit der Renaissance und der Reformation florie rende «Kleinstaaterei» ein im Vergleich zu den universalistischen Reichsideen des Mittelalters modernere Entwicklung dar, die mit der Globalisierung europäischer Technik, Wirtschaft und Kultur nicht nur kom patibel war, sondern dazu in einem durchaus positiven Bedingungs - ver hältnis stand. Die Wurzel dieser Entwicklung liegt darin, dass mit dem Zerfall des Feudalismus die Möglichkeit schwand, umfangreiche Territorien unter Ausschluss der autochthonen Bevölkerung durch eine überräum lich integrierte Elite zu integrieren. Stattdessen erwies es sich als unver meid - lich, dem Autonomiestreben lokaler und regionaler politischer Eliten Zugeständnisse zu machen und nachher im Zuge der Demokrati sie rung immer breitere Trägerschichten autochthoner Kultur an der po li tischen Willensbildung und der Gestaltung aller Institutionen mitzu be teiligen. Diese zunehmende «ethnische Imprägnierung» aller Institutionen fin det ihren Ausdruck beispielsweise darin, dass in den reformierten Kir chen an die Stelle des Lateins die autochthone Volkssprache tritt, und dass die universalen Traditionen des römischen Rechts zunehmend durch partikulärere Rechtsentwicklungen überlagert werden: insbeson - dere im rasch expandierenden Bereich des Staats- und Verwaltungs - rechts, das im Vergleich zum Privatrecht sehr viel geringeren Zwängen internationaler Harmonisierung unterliegt. Die vielleicht grösste Bedrohung für umfassende politische Staats - bil dungen entsteht heute wahrscheinlich daraus, dass die Bürger mit wachsendem Wohlstand immer mehr Wert auf eine Lebensqualität legen, zu der beispielsweise auch gehört, dass man auf die Gestaltung der le - bens relevanten Nahwelt wesentlich Einfluss nehmen kann, dass die Ver - 147 
Über die historische Entwicklung und Stellung kleiner Staaten
	        

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