Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

Epilog 
Dem Staatsgerichtshof ist zwar (zu Recht) die Aufgabe übertragen 
worden, die Rechtsunterworfenen vor verfassungswidrigen Gesetz- 
gebungs- oder Vollzugsakten ebenso zu schützen wie die LV in ih- 
rem Bestand (, Verfassungsgewähr‘°572 i.S.d. Art. 112 bis 115 LV) oder 
die EMRK als ,ordre public européen"35/3, Die Massnahmen, die der 
Landestiirst, der Landtag, die Regierung und - gegebenenfalls — auch 
das Volk im Zuge der aussenpolitischen Öffnung Liechtensteins®”* 
treffen, um den Interessen Liechtensteins in der Staatengemeinschaft 
zu entsprechen, sollten seinem Zugriff jedoch auch dann entzogen 
sein, wenn sie ,an den rechtsstaatlichen und grundrechtlichen Kern- 
bestand der Verfassung ... rühren"3975, olme ihn als solchen in Frage 
zu stellen. Das Gleichgewicht, das gerade ein Kleinstaat wie Liech- 
tenstein als ein Akteur auf dieser Bühne zu wahren hat, duldet keine 
Ambivalenz. Unter einer solchen hátten vor allem die beiden Grund- 
sátze und Maximen der liechtensteinischen Aussenpolitik zu leiden: 
jene der Verlässlichkeit und der Glaubwürdigkeit*578, Reserven, wie 
sie in StGH 1998/61 oder in der Verfassung vom 16. März 2003 zum 
Ausdruck kommen, stehen dieser Notwendigkeit deshalb entgegen, 
weil nur schon die Tatsache ihrer Existenz verunsichert. 
Durch die Ambition und Dynamik seiner Aussenpolitik hat 
Liechtenstein in den vergangenen drei Jahrzehnten bewiesen, dass es 
seine Interessen mit dem Mittel völkerrechtlicher Bindungen sehr 
viel besser vertreten kann als durch ein Abseitsstehen. Dieses Postu- 
lat gilt heute mehr denn je. Der mehr als siebzigjährige, gleichsam 
traditionelle Erfolg dieser Bemühungen ist zu einem Gemeinplatz 
geworden, an dem nicht zu rütteln ist. Ist an seinen Voraussetzungen 
auch in Zukunft festzuhalten? 
Diese Frage ist - aus verschiedenen Gründen - zu bejahen. Ei- 
ner dieser Gründe ist das Wesen des Vertrages überhaupt; sowohl im 
privaten als auch im óffentlichen Bereich begründen Vertráge immer 
eine Dialektik von Geben und Nehmen. Ohne diesen synallagmati- 
schen Charakter - und ohne dessen Akzeptanz durch die Vertrags- 
parteien — bleibt der Vertrag als ein Mittel zum Interessensausgleich 
stumpf. Im gleichen Umfang versagt aber auch seine Funktion als ein 
3572 Siehe hierzu den Titel des Xl. Hauptstückes der LV. 
3573 StGH 1977/4, n. publ., S. 10 des Entscheidungstextes. 
3574 Siehe hierzu das 5. Kapitel. 
3575 Regierung (Diskussionspapier) S. 34. 
3576 Siehe hierzu das 5. Kapitel Pkt. 3. 
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