3.2.4
ner Inflation von Prüfanträgen vorzubeugen, wird er diese
Trennlinie mit dusserster Sorgfalt zu ziehen haben. Unterlässt
der Staatsgerichtshof eine solche Definition, wird die Ent-
wicklung zu nichts anderem führen als zu einem Missbrauch
der ihm übertragenen und von ihm ausgeübten „Normen-
kontrollfunktion“3527,
Ausser Streit zu stellen ist vom Staatsgerichtshof aber auch, wie
sich der in StGH 1998/61 begründete Interventionsvorbehalt im Ver-
hältnis zu den anderen Staatsorganen auswirkt: Handelt es sich bei
diesem um eine (Vertrags-)Abschlussschranke, d.h. um eine von vorn-
herein bestehende Einschränkung der Vertragsabschlusskompetenz
von Landesfürst und Regierung als Inhaber der Auswärtigen Gewalt,
oder um ein an den Landtag gerichtetes Verbot, einen völkerrechtli-
chen Vertrag, der den Kern der LV oder der EMRK berührt, die Ge-
nehmigung gemäss Art. 8 Abs. 2 LV zu verweigern? Oder geht es um
eine (Vertrags-)Vollzugsschranke, d.h. um eine Bestimmung jener Fálle,
in denen der Vollzug eines vólkerrechtlichen Vertrages auszusetzen
ist, indem ihm die Rechtskraft nachträglich ganz oder teilweise abge-
sprochen wird?528?
In jedem Falle wird vom Staatsgerichtshof zu berücksichtigen
sein, dass die von ihm in StGH 1998/61 vorgenommene materielle
Kompetenzerweiterung auf eine ,Zuspitzung der ... Problematik
hinsichtlich der Bestimmung des Kreises zulássiger Beschwerde-
gründe und der damit zusammenhángenden Thematik der Reich-
weite der Kontrollkompetenz des Staatsgerichtshofes" hinausláuft
und ,eine weitere dogmatisch hochkomplizierte Fragestellung auf-
geworfen (hat)^35?9, Ajusserste Vorsicht ist vor diesem Hintergrund
das Gebot der Stunde - und zwar gerade mit Blick auf die Verfas-
sung vom 16. März 2003.
Die Verfassung vom 16. März 2003
Nach Massgabe der Revision von Art. 104 Abs. 2 erster Satz LV durch
die Verfassung vom 16. März 2003 soll der Staatsgerichtshof in Zu-
kunft die Kompetenz besitzen, völkerrechtliche Verträge auf ihre
(formelle und materielle) Verfassungsmässigkeit zu überprüfen. In
den Fällen einer von ihm festgestellten Verfassungswidrigkeit wird
er kassatorisch zu urteilen haben; so will es der klare und eindeutige
3527 StGH 1996/34, LES 2/1998 S. 80.
3528 Siehe hierzu Becker (Überprüfung) S. 13.
3529 Hôfling (Verfassungsbeschwerde) S. 117.
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