Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

3.2.3 
ist es ohne weiteres nachvollziehbar, aus welchem Grunde sich der 
Staatsgerichtshof bis heute und in Abweichung seiner Praxis zur 
materiellen Verfassungsmässigkeit des EWR-Rechts scheut, jene des 
Wirtschaftsvertragsrechts in Frage zu stellen: Der Tatbestand eines 
solchen Transfers schliesst einen Rückgriff auf Staatsvertragsschran- 
ken von vornherein aus®14, 
Unter den Bedingungen der Verfassung vom 16. März 2003 
wird die Diskussion einen von Grund auf anderen Weg beschreiten als 
er in diesem Kapitel beschrieben worden ist. Unter Art. 104 Abs. 2 er- 
ster Satz LV besitzt der Staatsgerichtshof in Zukunft die formell wie 
materiell abgesicherte Kompetenz, die (formelle wie materielle) Ver- 
fassungsmässigkeit völkerrechtlicher Verträge zu überprüfen. Eine 
Einschränkung macht diese Revision nicht. Aus diesem Grunde ist 
davon auszugehen, dass in Zukunft auch der ZV und die anderen Wirt- 
schaftsverträge unter die Überprüfungskompetenz des Staatsgerichtshofes 
fallen werden. 
Mit welchen Rechtsfolgen dies geschehen wird, ist nicht vorher- 
zusehen. Ein Punkt steht jedoch fest: Sobald er zur Präzisierung und 
Konkretisierung seines durch die Verfassung vom 16. März 2003 er- 
weiterten Kompetenzkataloges schreitet, wird der Staatsgerichtshof 
mit dusserster Vorsicht vorzugehen haben. Eine grósstmógliche 
rechtspolitische und — in der Folge — auch rechtliche Zurückhaltung 
wird das Gebot der Stunde sein. Um seine Aufgabe zu beneiden ist 
der Staatsgerichtshof unter diesen Voraussetzungen nicht. Und: Auf 
Orientierungshilfen in Form von Materialien wird er so gut wie nicht 
zurückgreifen kónnen?515, 
Legitimationsdefizite und Revisionsmóglichkeiten von StGH 1998/61 
Trotz der Revision von Art. 104 Abs. 2 erster Satz LV durch die Ver- 
fassung vom 16. März 2003 wird der Staatsgerichtshof in Bezug auf 
die nach wie vor bestehenden Legitimationsdefizite von StGH 1998/61 
einen Anhaltspunkt dafür zu geben haben, mit welcher Begründung 
er den Vorrang von LV und EMRK vor dem EWRA (ob ,primäres’ 
oder ,sekundáres' EWR-Recht) in StGH 1998/61 postuliert. Diesen 
Paradigmenwechsel mit dem Hinweis zu bagatellisieren, der ,Kon- 
fliktfall"^ einer Unvereinbarkeit zwischen LV und EMRK einerseits 
und EWRA andererseits werde ,in der Praxis kaum einmal auftre- 
3514 Siehe hierzu das 9. Kapitel Pkt. 4.2.1. 
3515 Siehe hierzu unten Pkt. 3.2.4. 
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