nischen Verfassungsordnung anspielen, liegen die Probleme aus
Gründen auf der Hand, auf die in diesem Kapitel nur in Form von
Hinweisen eingegangen werden kann: Unter dieser Annahme gerät
der Versuch einer Definition von Art und Umfang dieses Renvois zu
einer Aufgabe, die interdisziplinär ist und nicht nur der Praxis des
Staatsgerichtshofes, sondern — und zwar vor allem — auch jener der
Anderen Gerichte anvertraut ist; sollte der Staatsgerichtshof in StGH
1998/61 auf den ordre public zurückgegriffen haben und soll dieser
Rückgriff mit Leben erfüllt werden, wird auf jene Vorgaben Rück-
sicht zu nehmen sein, die in der Tátigkeit der Anderen Gerichte in
hóchst unterschiedlichen Rechtsgebieten entwickelt worden sind.
Diese ,umgekehrt prájudizielle Bindung' ist mit der Funktion des
Staatsgerichtshofes (Verfassungsgerichtsbarkeit) im Vergleich zu je-
ner der Anderen Gerichte (einfache Gerichtsbarkeit) nicht ohne wei-
teres zu vereinbaren?^!?, Dem Staatsgerichtshof droht eine Prárogati-
ve zu entgleiten, derer die Autoritét seiner Praxis bedarf9413,
Auch aus diesem Grunde ist nicht davon auszugehen, dass das
,Kerngehalts'-Konzept von StGH 1998/61 mit dem Rechtsinstitut des
ordre public deckungsgleich ist. Einer solchen Annahme widerspricht
der sittengesetzliche Ursprung des ordre public, der mit dem staats- und
verfassungsrechtlichen Charakter des Kerngehalts-Konzepts von StGH
1998/61 nicht zu vereinbaren ist, ebenso wie dessen urselbstündige
Natur?414,
Vor diesem Hintergrund muss versucht werden, den Inhalt
der ,Grundprinzipien' der LV durch einen Rückgriff auf andere Er-
kenntnisquellen zu erschliessen. Als Evidenz kommen dabei vor allem
die Praxis des Staatsgerichtshofes zum Wesensgehalt der Grundrechte
einerseits und die Postulatsbeantwortung andererseits in Frage:
3412 Siehe zur präjudiziellen Wirkung von Erkenntnissen des Staatsgerichtshofes Art. 42 Abs. 2
StGHG sowie für die Lehre Kley (Landesbericht) S. 24 mit dem Hinweis, dass in den Fällen
einer Nicht-Berücksichtigung von Erkenntnissen des Staatsgerichtshofes ausserhalb des An-
lassfalles die Möglichkeit besteht, gegen die in Frage stehende Entscheidung oder Verfügung
eine Verfassungsbeschwerde (Grundrechtsgrüge) zu erheben „und die Verfassungsfrage
damit erneut dem Staatsgerichtshof zu unterbreiten. Dieser wird dann in der Regel seine frü-
here Rechtsprechung bestätigen und die Entscheidung oder Verfügung aufheben“.
3413 Siehe hierzu statt vieler Kley (Landesbericht) S. 28, wonach es die Funktion des Staatsge-
richtshofes als Normenkontrollgerichtshof ausschliesst, dass sich dieser — der Staatsgerichts-
hof — ,in Verfassungsfragen an die Auslegung einer anderen Instanz gebunden fühlt oder
sieht".
3414 In StGH 1996/3, n. publ., Pkt. 2.1 der Entscheidungsgründe, S. 15 des Entscheidungstextes,
hat der Staatsgerichtshof vom ordre public als einem , Prinzip des im Fürstentum Liechten-
stein geltenden internationalen Privatrechts" gesprochen. ,Eine allfállige Verletzung des ordre
public kann nicht selbstándig, sondern nur in Verbindung mit der Verletzung eines verfas-
sungsmássig gewáhrleisteten Rechts geltend gemacht werden".
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