Praxis des Staatsgerichtshofes in StGH 1998/61 konzentrieren und
die sich z.T. auch auf Art. 104 Abs. 2 erster Satz LV beziehen?352,
Kompetenzkatalog des Staatsgerichtshofes
Obwohl nicht festzustellen ist, ob sich StGH 1998/61 nur auf das se-
kundäre oder auch auf das primáre EWR-Recht bezieht9?93, steht au-
sser Frage, dass sich der Staatsgerichtshof in StGH 1998/61 die von
Verfassungs- und Gesetzes wegen nicht bestehende Befugnis zu einer
Überprüfung der materiellen Verfassungsmässigkeit von Völkervertrags-
recht zugesprochen hat. Mit Blick auf den auf Verfassung®°°* und Ge-
setz9355 beruhenden Kompetenzkatalog des Staatsgerichtshofes bil-
det StGH 1998/61 eine „materielle Kompetenzerweiterung 3856,
Dieser Vorgang, d.h. die Ausweitung des Kompetenzkatalo-
ges des Staatsgerichtshofes auf die Móglichkeit, (auch) Vôlkervertrags-
recht auf seine materielle Verfassungsmässigkeit zu überprüfen, steht
im Widerspruch zu jenen Voraussetzungen, die der Staatsgerichtshof
für einen solchen Schritt selbst aufgestellt hat: Wird davon ausge-
gangen, dass „die Zuständigkeit des Staatsgerichtshofes“ im Urteils-
zeitpunkt in Art. 104 LV i.d.F. der Verfassung vom 5. Oktober 1921
,umschrieben" und dass seine Funktionen darin ,abschliessend auf-
gezáhlt^3397 waren, konnten ihm ,über dessen Rahmen hinausge-
hende Funktionen ... nur durch Verfassungsgesetz übertragen wer-
den'3358 _ so, wies dies in jüngster Zeit durch die Verfassung vom
16. Màrz 2003 der Fall gewesen ist9359,
3352 In diesem Kapitel wird auf die Praxis des Staatsgerichtshofes in StGH 1998/61 unter anderem
auch deshalb eingegangen, weil sich die Problematik, die sich aus diesem Erkenntnis ergibt,
auf Art. 104 Abs. 2 erster Satz LV weitgehend übertragen lásst. Dieser Schritt soll einer be-
hutsamen Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung (Art. 104 Abs. 2 erster Satz LV)
dienen, die das Verháltnis zwischen dem Vólkervertrags- und dem Landesrecht auf eine in
jeder Hinsicht neue Grundlage stellt. Sein Sinn und Zweck besteht darin, durch eine Sensibili-
sierung zu einem Bewusstsein des Charakters und der Dimension jener Ánderungen beizu-
tragen, die sich aus dieser Revision ergeben.
3353 Im Anlassfall stand (nur) das sekundáre EWR-Recht in Frage; der Ansatz ebenso wie die
Wortwahl des Staatsgerichtshofes ermóglichen jedoch die Annahme, dass sich dieses Er-
kenntnis auch auf das primáre EWR-Recht bezieht.
3354 Art. 104 LV.
3355 Art. 10ff i.V.m. Art. 23ff StGHG.
3356 Stotter (Kompetenzkatalog) S. 168. Siehe hierzu Hoop S. 298 oder Nuener S. 181.
3357 StGH 1982/37, LES 1983 S. 112.
3358 StGH 1982/37, LES 1983 S. 112. In StGH 1982/65, LES 1/1984 S. 2 geht der Staatsgerichts-
hof von der Tatsache der Begründung seiner Zuständigkeit im Rahmen von Art. 23 Bst. b
StGHG nicht mit Verfassungs-, sondem mit formellem Gesetz wie von einer Selbstverständ-
lichkeit aus — von der Selbstverstándlichkeit einer „mit Art. 23 StGHG in der Fassung LGBI.
1982/57 eingeführten Staatsgerichtshof-Kompetenz". Hófling (Grundrechtsordnung) S. 35 be-
schreibt diesen Vorgang zutreffend so, dass der Staatsgerichtshof ,lediglich einfachgesetzlich
zugewiesene Entscheidungskompetenzen (wahrnimmt), ohne sich mit der Frage der Verfas-
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