Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

Postulatsbeantwortung bemüht, das Verhältnis zwischen dem Völker- 
vertrags- und dem Landesrecht im Bewusstsein zu ordnen, dass sich 
die innen- und aussenpolitischen Parameter dieses Verhältnis’ im 
Laufe der Zeit von Grund auf ändern können. Die Postulatsbeantwor- 
tung weist in diesem Sinne (zu Recht) auf das Beispiel der Europäi- 
schen Integration hin. Gleichzeitig appelliert sie an ein Verfassungs- 
verständnis, das auf Dauer und unter wechselnden rechtlichen und tat- 
süchlichen Bedingungen in der Lage ist, zu einem Gleichgewicht zwi- 
schen der Verfassungsgewühr, d.h. der ,Bestandsgarantie' der liechten- 
steinischen Verfassungsordnung einerseits, und der internationalen 
Stellung Liechtensteins andererseits zu kommen. Eine Verfassungsre- 
vision wird von der Postulatsbeantwortung in diesem Zusammenhang 
nicht vorgeschlagen (obwohl die Regierung vom Landtag zu einer 
solchen Analyse aufgefordert worden war). Im Gegenteil; die Postu- 
latsbeantwortung überlässt es dem Staatsgerichtshof, sich der ,zuge- 
gebenermassen äusserst delikaten Probleme“S?91 in seiner Funktion 
als Verfassungsgerichtshof anzunehmen. 
Diese Ausgangslage hat durch die Verfassung vom 16. März 
2003 eine Zäsur erfahren, die sich insofern gegen die Empfehlungen 
der Postulatsbeantwortung stellt, als sie den Kompetenzkatalog des 
Staatsgerichtshofes um die Zuständigkeit zu einer Überprüfung völ- 
kerrechtlicher Verträge auf ihre Verfassungsmässigkeit erweitert. In 
Zukunft sollen völkerrechtliche Verträge ebenso den Gegenstand ei- 
ner Normenkontrolle bilden können wie formelle Gesetze und Ver- 
ordnungen. Dieser Einschnitt ist in die liechtensteinische Verfas- 
sungsordnung durch die Hintertüre getreten; seine Grundlagen gehen 
auf einen Verfassungsentwurf des Fürstenhauses vom 15. Mai 2002 
zurück3292, der — allem Anschein nach — mit der Verfassungskom- 
mission III des Landtages vor diesem Zeitpunkt nicht beraten worden 
war? 93, [m Zuge der sog. Verfassungsdiskussion ist auf ihn nur am 
Rande eingegangen worden. 
3291 Postulatsbeantwortung S. 15. 
3292 Siehe den Verfassungsentwurf des Fürstenhauses vom 15. Mai 2002, in: Beilagen 1 bis 3 
zum Bericht der Verfassungskommission Ill an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein 
vom 11. November 2002 (Beilage 2). In diesem Entwurf wird Art. 104 Abs. 2 LV i.d.F.d. Ver- 
fassung vom 5. Oktober 1921 zu einem Art. 109 Abs. 2, dessen Wortlaut Art. 104 Abs. 2 LV 
entspricht. 
3293 Siehe hierzu S. 9 des Diskussionspapiers der Verfassungskommission des Hohen Landtages 
zuhanden S.D. des Landesfürsten vom 17. Juni 2002, in: Beilagen 1 bis 3 zum Bericht der 
Verfassungskommission Ill an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein vom 11. Novem- 
ber 2002 (Beilage 4). 
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