Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

planwidrige Lücke zugänglich (ist) ... Die Schliessung der plangemä- 
ssen Lücke ist dagegen ausschliesslich dem Gesetzgeber vorbehal- 
ten“3160, 
Genau dies — das Vorhandensein einer unechten (‚planmässi- 
gen) Lücke — war in StGH 1993/4, in StGH 1996/28 und in StGH 
1997/7 aber insofern der Fall, als vom Staatsgerichtshof festgestellt 
worden ist, dass der Ausschliesslichkeitsanspruch des Kassationsprinzips 
dem Problem einer ,nicht verfassungskonformen Kundmachung ei- 
nes in Liechtenstein aufgrund Vólkerrechts anwendbaren auslándi- 
schen Erlasses"316! nicht gerecht wird. Wie dieser Situation zu begeg- 
nen ist, entspricht einem Gemeinplatz der juristischen Methoden- 
lehre: ,,Das Gesetzmássigkeitsprinzip untersagt den rechtsanwenden- 
den Instanzen die Füllung solch unechter Lücken, denn es ist Auf- 
gabe des Gesetzgebers, die politischen und gesellschaftlichen Wert- 
entscheidungen zu fállen"3!92, Genau dies war im Urteilszeitpunkt 
aber noch nicht geschehen: Im Urteilszeitpunkt bestand für den 
Staatsgerichtshof weder die Befugnis zu einer Überprüfung von Vól- 
kervertragsrecht (des Wirtschaftsvertragsrechts) auf seine formelle 
Verfassungsmässigkeit noch die Móglichkeit, vom verfassungs- und 
gesetzmássig vorgegebenen Kassationsprinzip abzuweichen und nur 
die ‚Anwendbarkeit‘ einer Rechtsvorschrift ‚aufzuheben‘. 
Die Rechtslage ist in diesem Zusammenhang die gleiche wie 
in den Fällen eines qualifizierten Schweigens (worauf der Staatsge- 
richtshof in StGH 1993/4, in StGH 1996/28 und in StGH 1997/7 im 
Übrigen nicht eingegangen ist): In beiden Fällen darf das geltende 
Verfassungs- und Gesetzesrecht „nicht durch Auslegung bzw. Lük- 
kenfüllung übergangen werden"3163, 
Mit seiner Argumentation bedient sich der Staatsgerichtshof in 
StGH 1993/4, in StGH 1996/28 und in StGH 1997/7 also einerseits 
einer Rechtsfolge, die auf einen — mangels Sanktion — noch nicht in 
Kraft getretenen Landtagsbeschluss (das neue StGHG) beruht und 
deren Problematik nicht nur in dieser Hinsicht auf der Hand 
liegt3184. Andererseits spricht sich der Staatsgerichtshof in dieser 
Praxis eine Befugnis zu, die ihm rur vom Verfassungsgeber übertragen 
3160 Urteil des OGH vom 25. Mai 1992, 3 C 144/87-58, LES 4/1992 S. 150. 
3161 StGH 1996/28, LES 2/1998 S. 59. 
3162 Kley (Verwaltungsrecht) S. 103 (Kursivstellung durch den Verfasser). 
3163 StGH 1996/36, LES 4/1997 S. 215. 
3164 Zum einen ist ein Landtagsbeschluss nicht mehr und nicht weniger als ein Landtagsbeschluss 
(und noch kein formelles Gesetz). Zum anderen ist es aus verschiedenen Gründen ungewis- 
ser denn je, ob das neue StGHG je sanktioniert werden und in Kraft treten wird. 
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