2.3.2.2
in allen Einzelheiten abgesteckt. Auch wenn sie ihre Ergebnis-
se in Einzelfällen offen gelassen haben, bilden sie für die be-
treffenden öffentlichen Rechtsträger eine Rechtsquelle von ei-
nem hohen Erkenntniswert; sie bilden eine Erkenntnisquelle,
die von den Vollzugsorganen in jedem Falle zu berücksichti-
gen ist. Im Geltungsbereich dieser Gutachten dürfte von einer
„fahrlässigen Unkenntnis“ des betreffenden öffentlichen
Rechtsträgers einer „gesetzlichen Bestimmung 3006 gegenüber
nur in Ausnahmefällen auszugehen sein. Zum Tatbestand ei-
nes ‚entschuldbaren Rechtsirrtums’, wie er vom EFTA-Ge-
richtshof anerkannt worden ist, dürfte es unter diesen Um-
ständen kaum je kommen.
Unabhängig von diesen drei Hinweisen ist festzustellen, dass
die Praxis des OGH zur Amtshaftungsvoraussetzung des Verschul-
dens unter dem Regime des vom OGH geschaffenen ‚Vertretbarkeits-
vorbehaltes’ insofern obsolet ist, als für die Begründung eines Amts-
haftungsanspruches „jedwedes Verschulden ausreicht“S®7: Kann
sich der öffentliche Rechtsträger von einer Haftbarkeit durch den
Nachweis befreien, dass er eine „vertretbare ... Rechtsauffas-
sung”3008 bzw. , Rechtsansicht/399? eingenommen hat, kann ihm un-
ter diesem Gesichtspunkt der Amtshaftungsvoraussetzung des Ver-
schuldens kein Vorwurf gemacht werden — ganz gleich, wie schwer
das Verschulden im Anlassfall war. Fille, in denen ein Verstoss ge-
gen Landes- oder Vólkervertragsrecht aufgrund eines Verschuldens
des betreffenden óffentlichen Rechtstrágers vorliegt (zu denken ist an
grobe oder leichte Fahrlássigkeit??!0), werden durch den Gutglau-
bensbeweis vom Vorwurf eines Verschuldens ohne weiteres befreit. Die
Ausdehnung der Amtshaftungsvoraussetzung des Verschuldens auf
alle Schuldformen ist unter diesem Gesichtspunkt in der Tat irrele-
vant.
Ausblick
Vor diesem Hintergrund wird es in Staatshaftungsfállen, die unter
dem ALHG ausgetragen werden, vor allem darauf ankommen, in-
3006 Urteil des OGH vom 1. April 1999, OG-C 471/95-57, LES 4/1999 S. 246.
3007 Beschluss des OGH vom 11. Juni 1990, E 637/89-14, LES 4/1990 S. 159 (Kursivstellung
durch den Verfasser).
3008 Beschluss des OGH vom 5. Februar 1998, OG-C 471/95, LES 4/1998 S. 233.
3009 Urteil des OGH vom 1. April 1999, OG-C 471/95-57, LES 4/1999 S. 246.
3010 Siehe hierzu das Urteil des OGH vom 1. April 1999, OG-C 471/95-57, LES 4/1999 S. 246.
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