Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

vertretung durch Rechtsanwälte besteht. Ist dies der Fall, 
kommt die Funktion dieser Einrichtung zum Zuge, die sich 
auf die Doppel-Rolle des Rechtsanwaltes als „Interessenswah- 
rer seines Mandanten” einerseits und als Protagonist einer 
„Verwirklichung des objektiven Rechts“?992 (als „Hilfsorgan der 
Rechtspflege“?993) andererseits erstreckt. Ist dem aber so, 
werden die betreffenden öffentlichen Rechtsträger in ihrer Tä- 
tigkeit durch rechtskundige und „unabhängige Vertreter des 
Einzelnen^?994 unterstützt, deren Aufgabe es ist, der , Ver- 
wirklichung der Rechtsordnung/?995 ebenso wie dem Rechts- 
frieden?996 nicht nur durch tatsáchliche, sondern auch durch 
rechtliche Vorbringen zu dienen?997, Eine Berufung auf den 
,Vertretbarkeitsvorbehalt' nach Massgabe der Praxis des OGH 
wird sich in diesen Fállen auch daran messen lassen müssen, 
inwiefern der betreffende öffentliche Rechtsträger durch die 
am Verfahren beteiligten Rechtsanwälte auf die massgeben- 
den landes- und völkervertragsrechtlichen Gesichtspunkte 
hingewiesen worden ist. Ist dies geschehen, wird sein Gut- 
glaubensbeweis im gleichen Umfang erschwert?998, 
e Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die LV in ihrem Art. 95 
Abs. 2 nur die Unabhängigkeit der Gerichte (der Judikative) 
schützt, nicht aber die Unabhàngigkeit von Verwaltungs- 
behörden (der Exekutive). Und nicht nur dies; die Tätigkeit der 
Liechtensteinischen Landesverwaltung wird unter sehr viel 
strengere Anforderungen gestellt als dies in Bezug auf die Tä- 
tigkeit der Rechtspflege der Fall ist: Nach Art. 92 Abs. 4 LV hat 
sich „die gesamte Landesverwaltung überhaupt ... innerhalb 
der Schranken der Verfassung, der Gesetze und staatsvertrag- 
2992 Kieber (Sonderinteressen) S. 83 (Kursivstellung durch den Verfasser). 
2993 StGH 1994/18, LES 4/1995 S. 130. 
2994 Kieber (Sonderinteressen) S. 84. 
2995 Kieber (Sonderinteressen) S. 84. 
2996 Siehe hierzu Waschkuhn (Politisches System) S. 207. 
2997 Art. 14 zweiter Satz RAG. 
2998 Es scheint unbillig und unangemessen zu sein, vom óffentlichen Rechtstráger (also von 
einem Gericht oder von einer Verwaltungsbehórde) unter § 1299 ABGB (auf den Art. 3 Abs. 4 
AHG verweist) bei der Rechtsauslegung und —anwendung ein anderes (ein geringeres) Mass 
an Sorgfalt zu fordem als von einem Rechtsanwalt unter Art. 14 erster Satz RAG (treue und 
gewissenhafte Vertretung der Rechte der Partei). Wie der OGH in einem Urteil vom 5. März 
1982, 3 C 86/79-32, LES 1/1983 S. 10 festgestellt hat, handelt ,schuldhaft im Sinne des $ 
1299 ABGB ... der Fachmann, der die ihm zumutbare Einsicht in vorwerfbarer Weise ausser 
Acht lässt“. Dieses Mass an Sorgfalt muss auch bei einem öffentlichen Rechtsträger voraus- 
gesetzt werden. 
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