3.2.2
desrechts?878 ebenso enthalten könnte wie eine an den Gesetzgeber
(Landtag oder Regierung) gerichtete Empfehlung. In Form einer
„Ratschlag-Entscheidung“2879 gehören solche Empfehlungen schon
heute zum Instrumentarium des Staatsgerichtshofes.
Der Hintergrund dieses Vorschlags besteht in der Sorge, dass
die zunehmende Fülle vólkervertragsrechtlicher ebenso wie die zu-
nehmende Überlagerung landesrechtlicher Bestimmungen die Struk-
turen, d.h. die personellen und sachlichen Mittel der Sonstigen Voll-
zugsorgane, je linger desto mehr vor immer anspruchsvollere Her-
ausforderungen stellt — vor Herausforderungen, die langsam aber si-
cher an den Nero des Rechtsstaates gehen?980, Wie die Regierung in der
Postulatsbeantwortung festgestellt hat, , fehlt den Gerichten ... bei den
hochpolitischen ... Vertrágen oft die notwendige gründliche ... Do-
kumentation"?88!, Es sind gerade diese vólkerrechtlichen Verträge,
die vor allem einzuhalten sind, und es ist vor allem die Ebene des
Vollzugs, auf der sich die Folgen solcher Defizite zum Nachteil der
Rechtsunterworfenen ergeben.
Revision des Kassationsprinzips
In einem bestimmten Punkt — jenem des Kassationsprinzips?88? —
scheint der vom Staatsgerichtshof für eine Behebung von Normen-
kollisionen gewáhlte Ansatz an seine Grenzen zu stossen: Dass Be-
stimmungen des Landesrechts, die — wie in StGH 1978/8 — Bestim-
mungen des Vôlkervertragsrechts widersprechen, aufzuheben (zu
kassieren) sind, bildet eine Rechtsfolge, die dem Charakter solcher
Konfliktfälle nicht entspricht.
In der Praxis des Staatsgerichtshofes ist es nur ein einziges
Mal — in StGH 1978/8 — zu einer Aufhebung (Kassation) von Landes-
recht wegen Vôlkervertragsrechtswidrigkeit als der radikalsten aller
müglichen Rechtsfolgen gekommen?883, In. diesem Fall ist der Aus-
2878 Siehe hierzu das 15. Kapitel Pkt. 4.1.
2879 Kley (Landesbericht) S. 27 mit dem Hinweis auf StGH 1996/29, LES 1/1998 S. 17.
2880 Es ist nicht zu übersehen, dass eine Umsetzung dieser Empfehlung eine Heform der rechtli-
chen und tatsächlichen Rahmenbedingungen bedingt, unter denen der Staatsgerichtshof
heute tátig ist. Ebenso liegt es auf der Hand, dass es sowohl einer Verfassungs- als auch ei-
ner Gesetzesánderung bedarf, soll der Empfehlung dieses Abschnittes gefolgt werden.
2881 Postulatsbeantwortung S. 17.
2882 Siehe hierzu das 19. Kapitel Pkt. 3.4.
2883 In jüngster Zeit fällt auch die Entscheidung StGH 2001/12, n.publ., vom 25. Márz 2003 in
diese Kategorie. In diesem Erkenntnis ging es um die inhaltliche (‚materielle‘) Vereinbarkeit
eines Teils einer Bestimmung der StPO (8 97a) mit dem ersten Zusatzprotokoll zur EMRK. Im
Ergebnis ist 8 97a StPO in StGH 2001/12 sowohl wegen Verfassungswidrigkeit (Art. 34 LV)
als auch wegen Vólkervertragsrechtswidrigkeit (Erstes Zusatzprotokoll zur EMRK) teilweise
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