geltend macht“?2851 — unabhängig davon, ob die Verfassungs-
oder (wie in StGH 1999/14 oder in StGH 2000/33) die Völker-
vertragsrechtsmüssigkeit in Frage steht?85?, Ebenso wie in Bezug
auf die formelle und materielle Verfassungsmässigkeit des
Landesrechts überprüft der Staatsgerichtshof die Vólkerver-
tragsrechtsmássigkeit von formellen Gesetzen und von Ver-
ordnungen nicht nur auf Antrag, sondern - unter den Voraus-
setzungen von Art. 24 Abs. 3 StGHG und von Art. 25 Abs. 1
2851 StGH 1999/14, n. publ., Pkt. 2.1 der Entscheidungsgründe, S. 19 des Entscheidungstextes
sowie gleichlautend StGH 2000/33, n. publ., Pkt. 2.1 der Entscheidungsgründe, S. 22 des
Entscheidungstextes.
2852 Die Bedeutung dieser Passage in StGH 1999/14, n. publ., Pkt. 2.1 der Entscheidungsgründe,
S. 19 des Entscheidungstextes, sowie gleichlautend in StGH 2000/33, n. publ., Pkt. 2.1 der
Entscheidungsgründe, S. 22 des Entscheidungstextes, ist nicht ohne weiteres zu erschlie-
ssen. Der Grund hierfür liegt darin, dass eine Verfassungsbeschwerde (Grundrechtsrüge)
aufgrund von Art. 23 Bst. a StGHG grundsátzlich nur dann erhoben werden kann, wenn die
Verletzung eines durch die LV, d.h. eines verfassungsmássig garantierten Rechts (eines
Grundrechts) in Frage steht. In diesen Fállen ist dem Staatsgerichtshof eine Prüfung der
Verfassungsmássigkeit von formellen Gesetzen im Sinne einer ,hypothetischen Ursache’ für
die Verfassungswidrigkeit des angefochtenen Hoheitsaktes móglich (Art. 23 Bst. a SEGHG).
Nach dem Wortlaut von Art. 23 Bst. a StGHG ist eine solche Prüfung jedoch immer mit der
,eigentlichen' Verfassungsbeschwerde (Grundrechtsrüge) verknüpft, d.h. eine solche Prüfung
kann der Staatsgerichtshot nur dann vornehmen, wenn auch die Verletzung eines Grund-
rechts geltend gemacht worden ist. Die Passage in StGH 1999/14, n. publ., Pkt. 2.1 der Ent-
scheidungsgründe, S. 19 des Entscheidungstextes sowie gleichlautend in StGH 2000/33, n.
publ., Pkt. 2.1 der Entscheidungsgründe, S. 22 des Entscheidungstextes, scheint diese Ver-
knüpfung dadurch aufzuheben, dass der Eindruck erweckt wird, zu einer Prüfung der Verfas-
sungsmässigkeit von formellen Gesetzen kónne es auch ausserhalb von Art. 23 StGHG
kommen, d.h. ohne die gleichzeitige Erhebung einer Verfassungsbeschwerde (Grundrechts-
rüge). Diesem Verständnis nach ist in StGH 1999/14 und in StGH 2000/33 eine neue, gleich-
sam ,selbstándige' Anfechtungsmóglichkeit begründet worden: Eine ‚spezifische Überprü-
fungskompetenz des Staatsgerichtshofes’ (wie es in StGH 1999/14 und in StGH 2000/33
heisst), zu der es auf der Grundlage einer ‚Normenkontrollrüge’ auch ohne eine gleichzeitige
Anrufung eines Grundrechts kommen kann — durch das Vorbringen nämlich, ein Hoheitsakt
(die Entscheidung oder Verfügung eines Vollzugsorgans) sei verfassungswidrig, ohne dass
gleichzeitig die Verletzung eines verfassungsmässig garantierten Rechts i.S.v. Art. 23 Bst. a
StGHG geltend gemacht wird. Ob dieses Verständnis jenem des Staatsgerichtshofes in StGH
1999/14 und in StGH 2000/33 entspricht, ist vor allem deshalb relevant, weil sich die Rechts-
unterworfenen unter dieser Annahme gegen völkervertragsrechtswidrige Hoheitsakte wehren
könnten, ohne dass gleichzeitig auch die Verletzung eines Grundrechts geltend zu machen
ist. Eine solche ‚entkoppelte’ Vólkervertragsrechtswidrigkeits- bzw. ,Normenkontrollrüge' (wie
es in StGH 1999/14, n. publ., Pkt. 2.1 der Entscheidungsgründe, S. 19 des Entscheidung-
stextes, sowie gleichlautend in StGH 2000/33, n. publ., Pkt. 2.1 der Entscheidungsgründe, S.
22 des Entscheidungstextes, heisst) würde die Verteidigungsmittel der Rechtsunterworfenen
erheblich erweitern: Um die Möglichkeit nämlich, auch gegen solche Hoheitsakte vorgehen zu
können, die zwar kein Grundrecht (d.h. kein verfassungsmässig garantiertes Recht i.S.v. Art.
23 Bst. a StGHG) verletzen, die jedoch auf einer Rechtsgrundlage beruhen (formelles Gesetz
oder Verordnung), die dem Völkervertragsrecht widerspricht. Ein solches Verteidigungsmittel
entspräche einem erleichterten Zugang zum Staatsgerichtshof in seiner Funktion als Nor-
menkontrollgerichtshof in den Fällen einer (behaupteten) Völkerrechtswidrigkeit von formellen
Gesetzen (und von Verordnungen) sowie der darauf gestützten Hoheitsakte. Allein, in StGH
2002/84 scheint der Staatsgerichtshof den Radius seiner Praxis in StGH 1999/14 und in StGH
2000/33 eingeschránkt zu haben; siehe hierzu das 19. Kapitel Pkt. 3.2.2.
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