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EINLEITUNG
1. KAPITEL: AUSGANGSLAGE UND ABGRENZUNGEN
Ausgangslage
Für einen Kleinstaat wie Liechtenstein ist das Verhältnis zwischen
seinem Landes- und dem Vólker(vertrags-)recht existenziell; im Ge-
flecht der internationalen Beziehungen stellen sich Schicksalsfragen
nicht nur politischer, sondern vor allem auch rechtlicher Natur. Im
Nottebohm-Fall! ist Liechtenstein mit dieser Spháre schon früh in Be-
rührung gekommen?.
Heute akzentuiert sich die Problematik mehr denn je. Seit den
siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wird die Aussenpo-
litik Liechtensteins durch eine Óffnung? geprágt, die zu einem Beitritt
zu zahlreichen internationalen Foren und Organisationen geführt
hat; in den vergangenen dreissig Jahren ist Liechtenstein u.a. der
UNO, der WTO, dem Europarat, der OSZE und der EFTA beigetre-
ten. Je nach Sichtweise hatte diese Entwicklung den Abschluss völ-
kerrechtlicher Verträge zur Voraussetzung oder zur Folge.
Durch diese Vertragswerke sind nicht nur das Land und seine
Institutionen an diesen Teil des Völkerrechts gebunden (d.h. berechtigt
und verpflichtet) worden, sondern — in vielen Fällen und in einem
unterschiedlichen Masse — auch die Einzelnen, d.h. die dem Recht
Siehe hierzu Lipstein/Kurt und Loewenfeld/Erwin; Liechtenstein gegen Guatemala — der
Nottebohm-Fall, in: Gedächtnisschrift Ludwig Marxer, Zürich 1963, S. 275ff.
Dem IGH-Statut ist Liechtenstein bereits im Jahre 1950 beigetreten; siehe hierzu die Kund-
machung vom 9. Márz 1950, LGBI. 1950 Nr. 6/1; LR 0.193.901.911.
Die Wendung von der ,aussenpolitischen Offnung Liechtensteins' stammt von der Regierung
(Interpellationsbeantwortung Nr. 11/1987) S. 33.
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