Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

3.4 
3.4.1 
Das Kassationsprinzip 
Schon am Wortlaut von Art. 104 Abs. 2 erster Satz LV gemessen steht 
ausser Frage, dass der Staatsgerichtshof eine als (materiell oder for- 
mell) verfassungswidrig erkannte Rechtsvorschrift aufzuheben (zu 
,kassieren') hat. Aufgrund von Art. 104 Abs. 2 erster Satz LV urteilt 
er in diesen Fällen als „negativer Gesetzgeber“2688 von Verfassungs 
wegen , kassatorisch'?689, 
Inhalt des Kassationsprinzips 
Diese Finalitàt seiner Funktion als Normenkontrollgerichtshof ent- 
spricht der ständigen Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes. Auch 
wenn der Prüfantrag eines Anderen Gerichtes gemáss Art. 28 Abs. 2 
StGHG kein ,fórmlicher Aufhebungsantrag/?990 oder — als ein sol- 
cher - nicht gestellt worden ist?99!, , versteht (es) sich"?99?, dass er 
‚nichts anderes bedeuten kann” als dass ein „Antrag auf Aufhebung 
eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit"?993 gestellt wird, so- 
dass ,bei festgestellter Verfassungs- oder Gesetzwidrigkeit die bei 
Prüfung anzuwendende Vorschrift ... aufzuheben ist“?6%, In diesen 
Fállen erteilt Art. 104 Abs. 2 erster Satz LV nicht mehr und nicht we- 
niger als einen Kassationsbefehl. 
Diese Rechtslage wird vom Staatsgerichtshof wie folgt be- 
gründet Nachdem es „sinnlos und schädlich (wäre)“, die Verfas- 
sungs- oder Gesetzwidrigkeit einer Rechtsvorschrift nur festzustel- 
len, ohne sie „aus dem Rechtsbestand auszuscheiden“2695, liege diese 
„Notwendigkeit“2696 auf der Hand; über die „bei Prüfung anzuwen- 
dende Vorschrift“2697 Rechtsunklarheit ent- oder bestehen zu lassen, 
d.h. ein „Prüfungsergebnis negativer Art“ hinzunehmen, würde dem 
2688 Batliner (Verfassungsrecht) S. 25 in der Tradition von Kelsen. 
2689 Art. 104 Abs. 2 erster Satz LV. 
2690 StGH 1988/22 und 1989/1, LES 1/1990 S. 4. 
2691 Siehe hierzu StGH 1978/8, LES 1981 S. 6: Obwohl der OGH „lediglich eine Prüfung ... 
beantragt und ein formeller Aufhebungsantrag fehlt, muss doch geschlossen werden, dass 
mit dieser Prüfung auch die Aufhebung der zweifelhaften Bestimmung begehrt wird“. Mangel- 
haftigkeit oder Ambiguität eines Antrages i.S.v. Art. 28 Abs. 2 StGHG schadet dem Vorlage- 
verfahren also nicht. 
2692 StGH 1977/10, LES 1981 S. 57. 
2693 StGH 1982/39, LES 4/1983 S. 117. 
2694 StGH 1988/22 und 1989/1, LES 1/1990 S. 4 sowie StGH 1990/13, LES 4/1991 S. 138. 
Gleichlautend StGH 1978/8, LES 1981 S. 6. 
2695 StGH 1978/2, Stotter (Verfassung) S. 218. 
2696 StGH 1978/8, LES 1981 S. 6 sowie StGH 1977/10, LES 1981 S. 57. 
2697 StGH 1988/22 und 1989/1, LES 1/1990 S. 4. 
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