riellen) Verfassungsmässigkeit bzw. Völkervertragsrechtsmässigkeit
bestehen. Dies bedeutet vor allem, dass für die Anderen Gerichte
kein Vorlagerecht, sondern eine Vorlagepflicht auch dann besteht,
wenn der als Prüfungsmasstab in Frage stehende völkerrechtliche
Vertrag nicht unmittel-, sondern nur mittelbar anwendbar ist. Auch in
diesen Fällen ist ein Prüfantrag gemäss Art. 28 Abs. 2 StGHG zu
stellen und ein Normenkontrollverfahren einzuleiten?847,
Die Argumentationslinie, die der Staatsgerichtshof in seiner
Praxis über StGH 1982/36, StGH 1993/18 und 1993/19, StGH
1995/20, StGH 1995/30, StGH 1998/3 und StGH 1998/20 vertreten
hat, lässt kein anderes Ergebnis zu. Diese Argumentationslinie, die
sich immer mehr zu einer Trennlinie zwischen der Zuständigkeit der
Anderen Gerichte einerseits und des Staatsgerichtshofes andererseits
entwickelt hat, berechtigt nicht nur, sondern verpflichtet zur Vorlage
der Verfassungs- oder der Völkervertragsrechtmässigkeit dann,
wenn irgendein Grund oder Anlass, und sei er noch so geringfügig,
für Bedenken in dieser Hinsicht besteht. „Erscheint“2648 eine Be-
stimmung des Landesrechts einem Anderen Gericht als mit einer Be-
stimmung des (geschriebenen oder ungeschriebenen) Verfassungs-
oder des Völkervertragsrechts unvereinbar, ist das Verfahren ohne
Verzug zu unterbrechen und beim Staatsgerichtshof eine „Prüfung
der Verfassungs- oder Konventionsmässigkeit“2649 zu beantragen.
Unterbleibt ein solcher Prüfantrag, obwohl das betreffende Andere Ge-
richt von einer Verfassungs- oder Vólkervertragsrechtswidrigkeit des
in einem Anlassfall in Frage stehenden Landesrechts ausgeht oder in
diesem Zusammenhang ernsthafte Zweifel hegt, liegt eine Verlet-
zung der Grundrechte des Willkürverbotes und/oder der Garantie
eines ordentlichen Richters i.S.v. Art. 33 Abs. 1 LV vor?950,
Die Gründe für diese Feststellung liegen ebenso auf der Hand
wie ihre Legitimation:
Für das Rechtsschutz- und Rechtssicherheitsbedürfnis der
Einzelnen ist es von zentraler Bedeutung, dass der Staatsgerichtshof
- in seiner Funktion als Normenkontrollgerichtshof (als „Zentralge-
richt“2651) - immer dann eingeschaltet wird, wenn die Massgeblich-
keit des übergeordneten Rechts (Verfassungs- oder Vólkervertrags-
recht) in einem Anlassfall in Frage steht. Auch (und gerade!) die
2647 Siehe hierzu oben Pkt. 3.2.2 (Gleichbehandlung echter und verdeckter Konflikte).
2648 StGH 1989/9, LES 2/1990 S. 63.
2649 StGH 1989/9, LES 2/1990 S. 63.
2650 StGH 2000/33, n. publ., Pkt. 5.2 der Entscheidungsgründe, S. 30 des Entscheidungstextes.
2651 Schurti (Verordnungsrecht) S. 385. Siehe hierzu Wille (Normenkontrolle) S. 187.
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