zelnen berührt?$85: Sind Normenkontrollverfahren auch in den Fäl-
len eines verdeckten Konflikts, d.h. auch dann einzuleiten, wenn die in
Frage stehende Normenkollision eine solche zwischen dem Landes-
recht und einem mittelbar anwendbaren völkerrechtlichen Vertrag?586
ist, oder setzt die Einleitung eines Normenkontrollverfahrens einen
echten Konflikt, d.h. eine Normenkollision zwischen Landes- und un-
mittelbar anwendbarem V ólkervertragsrecht?997 voraus?
In dieser Dissertation wird davon ausgegangen, dass der
Staatsgerichtshof seine Funktion als Normenkontrollgerichtshof auf
Konfliktfálle nicht nur zwischen dem Landesrecht und unmittelbar
anwendbaren vôlkerrechtlichen Vertrágen, sondern auch auf solche zwi-
schen dem Landes- und mittelbar anwendbaren Vôlkervertragsrecht ausge-
dehnt hat:
Zum einen ist die LV (das geschriebene oder ungeschriebene
Verfassungsrecht), d.h. der ,reguláre' Prüfungsmasstab der Normen-
kontrolle?588, zwar allgemein verbindlich?989, nicht jedoch auch in
allen ihren Teilen unmittelbar anwendbar?590, Trotzdem ist die LV in
ihrer Gesamtheit Prütungsmasstab der Normenkontrolle.
Zum anderen gilt der Vorrang des Vólkervertrags- vor dem
Landesrecht nicht nur relativ (d.h. in Abhängigkeit von der Art der
Anwendbarkeit des in Frage stehenden völkerrechtlichen Vertrages),
sondern — und zwar als ein Strukturprinzip der liechtensteinischen
Verfassungsordnung — auch absolut, d.h., zumindest dem Grundsatz
nach, ausnahms- und vorbehaltslos2591, Für seine Funktion als Prü-
fungsmassstab der Normenkontrolle bedeutet dies, dass das Vólkerver-
tragsrecht diese Funktion aufgrund der Art seiner Anwendbarkeit
nicht verliert: Das Vólkervertragsrecht bildet unabhángig davon eine
Referenzgrôsse (für die Rechtmässigkeit des Landesrechts) und damit
einen Prüfungsmasstab der Normenkontrolle, ob es unmittel- oder nur
mittelbar anwendbar ist. Die Praxis des Staatsgerichtshofes entspricht
diesem Befund?99?; in StGH 1994/26 hat der Staatsgerichtshof Lan-
2585 Siehe hierzu unten Pkt. 3.3.
2586 Siehe hierzu das 17. Kapitel Pkt. 2.2.2.
2587 Siehe hierzu das 17. Kapitel Pkt. 2.2.1.
2588 Siehe hierzu oben Pkt. 3.2.1.
2589 Art. 112 Abs. 1LV.
2590 Siehe hierzu VBI 1969/29, ELG 1967-1972 S. 7, wo davon die Rede ist, die LV kónne
,hiemais unmittelbar anwendbares Recht" sein (Kursivstellung durch den Verfasser).
2591 Siehe hierzu das 14. Kapitel Pkt. 4.1.1.
2592 In seiner Praxis zur Überprüfung der Vélkervertragsrechtsmássigkeit des Landesrechts hat
der Staatsgerichtshof nicht nur unmittelbar anwendbare Bestimmungen des EWRA oder der
EMRK als einen móglichen Prüfungsmasstab qualifiziert, sondern auch Bestimmungen vól-
kerrechtlicher Vertráge, die von ihm nicht als unmittelbar anwendbar bezeichnet worden wa-
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