Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

Sie ergibt sich zweitens daraus, dass die Anwendung des Vor- 
rangprinzips dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu ent- 
sprechen hat, der — ebenso wie das Vorrangprinzip — ein 
Strukturprinzip der liechtensteinischen Verfassungsordnung 
bildet?»05, Dass die Annahme einer Nichtigkeit des Landes- 
rechts (statt nur einer Unanwendbarkeit) unverhültnismiüssig ist, 
liegt nicht nur auf der Hand, sondern wird auch vom Vólker- 
vertragsrecht nicht vorausgesetzt?506, 
Sie ergibt sich drittens aus dem Grundsatz, dass es ,nach der 
liechtensteinischen Rechtsordnung grundsätzlich wohl ver- 
nichtbare, aber nicht absolut nichtige Rechtssätze gibt"?907, Dieser 
Grundsatz entspricht jenem von Art. 106 Abs. 1 LVG, der zwi- 
schen einer , Vernichtbarkeit' und einer ,Nichtigkeit' von Ent- 
scheidungen und Verfügungen zwar unterscheidet?908, in bei- 
den Fillen jedoch deren ,Nichtigerklárung' (, Kassation"?909) 
vorbehält. Zu einer ,automatisch’ be- oder entstehenden Nich- 
tigkeit rechtswidriger Verwaltungsakte kommt es unter dem 
LVG nicht. Dies wird auch durch Capaul/Dubs bestátigt?5!0, 
Wie lässt sich die Rechtsfolge der Unanwendbarkeit des dem 
Vólkervertrags- widersprechenden Landesrechts charakterisieren? 
Eine Antwort auf diese Frage kann mit den folgenden drei Hinwei- 
sen erfolgen: 
Auch wenn mit Analogieschlüssen in diesem Zusammenhang 
nur mit dusserster Vorsicht umzugehen ist?9!!, kann im Interes- 
se der Rechtsklarheit in einem ersten Schritt hervorgehoben 
werden, dass das Ergebnis einer Unanwendbarkeit des dem 
Vólkervertragsrecht widersprechenden Landesrechts jenem 
einer Anwendung der klassischen Derogationsregeln der lex 
superior oder der lex posterior im Sinne ein und derselben 
Rechtsfolge entspricht. Dieses Ergebnis ist in der Praxis nicht 
nur des Staatsgerichtshofes?5!?, sondern auch des OGH in Er- 
2505 Siehe hierzu das 14. Kapitel Pkt. 4.1.1. 
2506 Hangartner (Vólkerrecht) S. 663f. 
2507 StGH 1980/10, LES 1982 S. 11. 
2508 Nach Massgabe von Art. 106 Abs. 1 LVG ist das Unterscheidungskriterium zwischen der 
,Vemichtbarkeit' und der ,Nichtigkeit' von Verwaltungsakten (Entscheidungen oder Verfügun- 
gen) deren Eignung, rechtliche Wirkungen zu erzeugen. 
2509 Gliederungstitel der Art. 106ff LVG. 
2510 Capaul/Dubs S. 99. 
2511 Das Vorrangprinzip ist mit den klassischen Derogationsregeln eben gerade nicht gleichzuse- 
tezen noch durch diese zu ersetzen; siehe hierzu das 19. Kapitel Pkr. 3.3.4.2. 
2512 Siehe hierzu StGH 1978/8, LES 1981 S. 5f oder StGH 1995/21, LES 1/1997 S. 28. 
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