Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

vom Staatsgerichtshof zur Verfügung gestellten Lösungsmechanis- 
men auf den beiden Grundsätzen 
* der Anerkennung eines Vorranges des Vólkervertrags- vor 
dem Landesrecht einerseits (Vorrangprinzip; Beispiele: siehe 
das 14. Kapitel Pkt. 3.1) und auf 
* seiner Funktion als Normenkontrollgerichtshof andererseits 
(Normenkontrolle; Beispiele: StGII 1993/18 und 1993/19 sowie 
StGH 1996/34)2454, 
In seiner Praxis hat sich der Staatsgerichtshof also fiir eine 
Kombination der dritten und der vierten Priimisse®*5® entschieden und 
die ersten beiden Annahmen — eine Anwendung der klassischen Deroga- 
tionsregeln einerseits und der Nichtigkeit des dem Völkervertragsrecht 
widersprechenden Landesrechts andererseits — wenn auch nicht explizit, 
so doch implizit abgelehnt. 
Dieser Befund ist von zentraler Bedeutung. Seinem Ansatz 
entsprechend ist auf die Charakteristiken der beiden Lösungsmecha- 
nismen des Vorrangprinzips und der Normenkontrolle einzugehen, wo- 
bei es sich von selbst versteht, dass Normenkontrolle und Vorrang- 
prinzip auf ein und demselben Grundgedanken einer Hierarchie (eines 
Stufenbaus des Rechts) beruhen. Die Darstellung des modus operandi 
dieser beiden Lösungsmechanismen folgt im 19. Kapitel. 
Fazit und Ausblick 
In seiner Praxis hat sich der Staatsgerichtshof vor allem auf eine 
Überprüfung der Völkervertragsrechtsmässigkeit von Gesetzgebungs- 
akten verlegt (Normenkontrolle). Diese Praxis beruht auf den Art. 24 
Abs. 3 und 25 Abs. 1 StGHG (Überprüfung von Amtes wegen) einer- 
seits und auf Art. 28 Abs. 2 StGHG (Überprüfung auf Antrag) ande- 
rerseits. Die Frage, ob er auch dazu bereit ist, Vollzugsakte dann auf 
ihre Vólkervertragsmássigkeit zu überprüfen, wenn nicht die von der 
EMRK (Art. 23 Bst. b StGHG) oder vom UNO-Pakt II (Art. 23 Bst. c 
StGHG) garantierten Grundrechte, sondern ein anderer vólkerrechtli- 
cher Vertrag den Prüfungsmasstab bilden, hat der Staatsgerichtshof 
bis heute nur in Bezug auf das EWRA beantwortet. 
2454 Im Zusammenhang mit der EMRK hatte der Staatsgerichtshof in einer Reihe von Fällen über 
die Völkervertragsrechtsmässigkeit (‚Konventionsmässigkeit’) formeller Gesetze zu befinden, 
so z.B. über $8 148 ABGB in StGH 1999/6, n. publ., Pkt. 2 der Entscheidungsgründe, S. 18ff 
des Entscheidungstextes. 
2455 Siehe hierzu oben Pkt. 3. 
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