Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

Hoch geht unter dem Titel „materielle Schranken der Gesetz- 
gebung“2351 auf den Gesichtspunkt ein, dass „einfache Gesetze ... 
nicht gegen höherrangige Rechtsnormen, also ... Staatsverträge mit 
Verfassungsrang verstossen (dürfen)" und dass es ,dem Staatsge- 
richtshof erlaubt" ist, ,EMRK-widrige Gesetzesbestimmungen auf- 
zuheben". ,,Nicht gebunden” sei „der Gesetzgeber” an die , auf Ge- 
setzesstufe stehende(n) Staatsvertráge(n) ?39?, Ritter weist darauf 
hin, dass ,die Frage, ob eine spátere Verfassungsnorm von einem 
früheren vólkerrechtlichen Vertrag abweichen kann, ... im liechten- 
steinischen Recht ungelóst ist “2353, 
Hammermann und Ospelt?354 gehen in Bezug auf unmittelbar 
anwendbares EWR-Primár- und -Sekundárrecht davon aus, dass 
dieses widersprechendes Landesrecht ohne weiteres derogiere, sollte 
dessen vólker-, d.h. EWR-rechtskonforme Auslegung??9? nicht móg- 
lich sein. Um in einem solchen Fall einer Derogation des Landes- 
durch das Vólkervertragsrecht im Allgemeinen?356 und durch das 
EWR-Recht im Besonderen ,Rechtssicherheit für die Rechtsunter- 
worfenen" zu schaffen, sei ,eine formelle Revision der im Wider- 
spruch zum EWR-Recht stehenden nationalen Normen notwen- 
dig“2857, Capaul/Dubs erklären, dass ,,wenn sich Rechtsnormen des 
Vólkerrechts und des Landesrechts widersprechen ... nach liechten- 
steinischer Auffassung vólkerrechtswidriges Landesrecht grundsátz- 
lich nicht einfach nichtig (ist) ... vólkerrechtswidriges Landesrecht 
(wird) nicht angewandt oder kassiert/?358, 
Von der Regierung ist postuliert worden, dass ,nationale 
Rechtsakte, welche dem EWR-.. Recht widersprechen, verhindert 
2351 Hoch (Verfassung- und Gesetzgebung) S. 208. 
2352 Hoch (Verfassung- und Gesetzgebung) S. 208. Diese Feststellung, die sich vor allem auf den 
Gesichtspunkt der Gesetzgebung und nicht des Vollzugs bezieht, ist nicht ganz zutreffend. In 
StGH 1978/8, LES 1981 S. 7 hat der Staatsgerichtshof zwar erklárt, das die ,formellen 
Staatsvertráge" nur durch ,hóher- oder gleichrangige innerstaatliche Normen abgeändert ... 
oder gar aufgehoben werden können“. Im gleichen Erkenntnis heisst es jedoch, dass der im 
Anlassfall in Frage stehende „formelle Staatsvertrag“, nachdem bei seiner Ratifikation kein 
Vorbehalt angebracht worden sei, „der innerstaatlichen Gesetzgebung des Fürstentums 
Liechtenstein (vorgeht)“. Am Inhalt des betreffenden völkerrechtlichen Vertrages sei in jedem 
Falle „zu prüfen, ob er ... eine die gesetzgebenden Organe treffende Verpflichtung enthält, die 
bestehende Rechtsordnung dem Staatsvertrag anzupassen, soweit sie mit ihm nicht überein- 
stimmt, und in Zukunft keine Rechtsvorschriften zu erlassen, die dem Staatsvertrag wider- 
sprechen“. In ihrer Absolutheit ist die Feststellung Hochs aus diesem Grunde unzutreffend. 
2353 Ritter (Gesetzgebungsverfahren) S. 72. 
2354 Ospelt (Freizügigkeit) S. 42f. 
2355 Siehe hierzu das 15. Kapitel Pkt. 4.1. 
2356 Ospelt (Freizügigkeit) S. 42f. 
2357 Hammermann S. 68f. 
2358 Capaul/Dubs S. 99. Nahezu gleichlautend Thürer (Vólkerrechtsordnung) S. 112. 
432
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.