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Lehre
Völkerrechtliche Lehre
Die in den Art. 26 und 27 WVRK z.T. kodifizierte völkerrechtliche
Lehre nimmt in der Frage nach der Art und Weise einer Behebung
von Normenkollisionen eine neutrale Haltung ein — wenn sie die
Möglichkeit echter oder verdeckter Konflikte zwischen dem Völker-
vertrags- und dem Landesrecht überhaupt anerkennt. In dieser Frage
„hält das Völkerrecht sich zurück“2338. es fordert nur, dass es, aber
sagt nicht, wie es im inländischen Recht durchgesetzt werden
soll^2339.
Dem Vólkerrecht ist ,eine Regel des Inhalts, dass vólker-
rechtswidriges nationales Recht einfach unwirksam wäre, ein Prinzip
‚Völkerrecht bricht nationales Recht‘ ... fremd“2940. die Sanktionen,
die eine Missachtung der vom Völkerrecht vorgegebenen obligation de
résultat durch die Gesetzgebungs- oder Vollzugsakte eines Völker-
rechtssubjekts nach sich ziehen, erschópfen sich in dessen Pflicht zur
, Wiederherstellung des dem Völkerrecht entsprechenden Zustandes
und zum Schadensersatz?9^!, Der für die Vólkervertragsrechtsverlet-
zung verantwortliche Staat hat „sein Recht“ darüberhinaus „im Sinne
des Völkerrechts umzugestalten“?942,
Insofern entspricht es der herrschenden völkerrechtlichen
Lehre, dass sich die in Frage stehenden Probleme „durch allgemeine
Überlegungen über Dualismus und Monismus oder den Primat des
staatlichen oder des Völkerrechts allein nicht entscheiden (las-
sen)?343 Fest steht aber auch, „dass jedenfalls die Existenz wider-
streitenden staatlichen Rechts die verpflichtende Kraft des Völker-
rechts gegenüber den Staaten als Normadressaten nicht aufhebt"?9^^,
Von dieser Rechtslage sind vor allem die folgenden beiden
Fälle zu unterscheiden: Zum einen kennt das Völkerrecht „Normen
zwingenden Rechts (ius cogens), Pflichten, die den einzelnen unmit-
2338 Dahm/Delbrück/Wolfrum S. 102.
2339 Dahm/Delbrück/Wolfrum S. 101.
2340 Dahm/Delbrück/Wolfrum S. 102f.
2341 Siehe hierzu das 22. Kapitel Pkt. 1.
2342 Dahm/Delbrück/Wolfrum S. 103.
2343 Dahm/Delbrück/Wolfrum S. 103.
2344 Dahm/Delbrück/Wolfrum S. 103.
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