Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

als er sich auf den „Sinn und Geist“2120 auf den „Sinn und 
Zweck“2121 des betreffenden völkerrechtlichen Vertrages oder darauf 
berufen hat, in welchem „Lichte der ... bestehenden völkerrechtli- 
chen Verpflichtungen Liechtensteins"?!?? eine Auslegung (des Lan- 
des-, aber auch des Vólkervertragsrechts) zu erfolgen habe?!?3, Die 
Grenzen dieser Praxis zwischen der Anerkennung einer ,Ausstrah- 
lungswirkung' des Vólkervertragsrechts?!?4 einerseits und dem 
Grundsatz einer Erfüllung völkerrechtlicher Verträge „nach Treu 
und Glauben"?1?5 andererseits sind fliessend. Im Ergebnis handelt es 
sich um den Imperativ einer Berücksichtigung der in jedem Falle ge- 
botenen ,teleologische(n) Auslegung “2128, 
Im Übrigen ist auf die Kriterien der Art. 31 bis 33 WVRK?!?7 
hinzuweisen. Auch wenn der Staatsgerichtshof auf diese (nicht ab- 
schliessenden)?!?8 Grundsátze in seiner Praxis weder explizit noch 
implizit zurückgegriffen hat und auch wenn - von Einzelfállen?!?9 
abgesehen — keine Indizien dafür bestehen, dass sie von ihm je als 
hen, hat der Staatsgerichtshof in Bezug auf das ERHÜ bis in die jüngste Zeit erklárt, so zu- 
letzt in StGH 2000/32, n. publ., Pkt. 2.1 der Entscheidungsgründe, S. 13 des Entscheidung- 
stextes. 
2119 Siehe hierzu StGH 2000/28, n. publ., Pkt. 3.2 der Entscheidungsgründe, S. 17 des Entschei- 
dungstextes. In StGH 1999/28, LES 1/2003 S. 8 hat der Staatsgerichtshof erklärt, dass es 
unter Umständen „angezeigt“ sein könne, „eine ... vólkerrechtliche Regelung jedenfalls bei 
der Handhabung der korrespondierenden innerstaatlichen Normen im Sinne einer teleologi- 
schen Auslegung mitzuberücksichtigen“ (Kursivstellung durch den Verfasser). 
2120 StGH 1996/18, n. publ., Pkt. 3.1 der Entscheidungsgründe, S. 12 des Entscheidungstextes in 
Bezug auf das ERHÜ. 
2121 StGH 1996/31, n. publ., Pkt. 3.5 der Entscheidungsgründe, S. 24 des Entscheidungstextes in 
Bezug auf das Europäische Übereinkommen vom 27. Januar 1977 zur Bekämpfung des Ter- 
rorismus, LGBI. 1979 Nr. 39; LR 0.353.3. 
2122 StGH 1999/37, n. publ., Pkt. 2.2 der Entscheidungsgründe, S. 14 des Entscheidungstextes. 
Auffallend ist die Wendung ,im Lichte", die sich in der Allgemeinen Auslegungsregel vólker- 
rechtlicher Verträge gemäss Art. 31 Abs. 1 WVRK wieder findet. 
2123 Im gleichen Sinne StGH 2000/53, n. publ., Pkt. 6.6 der Entscheidungsgründe, S. 26 des 
Entscheidungstextes. 
2124 Siehe hierzu das 16. Kapitel Pkt. 3. 
2125 Art. 26 i.V.m. Art. 31 Abs. 1 WVRK. 
2126 Wille/Beck (EMRK) S. 246. 
2127 Nach Bernhardt S. 26 ist den in der vólkerrechtlichen Lehre und Praxis entwickelten Ausle- 
gungsmaximen die Rechtsqualitát in der Vergangenheit samt und sonders abgesprochen 
worden; die betreffenden Autoren werden bei ihm als ,Leugner rechtlicher Regeln für die 
Vertragsauslegung im Vólkerrecht" bezeichnet. Aufgrund der Tatsache, dass es sich bei den 
Art. 31 bis 33 WVRK um kodifiziertes Vólkerrecht handelt, dürfte die Position einer Negation 
der Rechtsqualitát der in diesen Bestimmungen verankerten Kriterien heute überwunden sein. 
2128 Jahrbuch der International Law Commission 1966 Il S. 218. 
2129 In StGH 1985/1, LES 4/1986 S. 110 hat der Staatsgerichtshof mit seinem Wort, dass ,vólker- 
rechtliche Verpflichtungen ... nicht von landesinternen Rechtsakten (abhángen)', auf einen 
Grundsatz von Teil Ill der WVRK zurückgegriffen. Obwohl dieser Grundsatz nicht der Ausle- 
gung, sondem der Einhaltung vólkerrechtlicher Vertráge gilt, bildet StGH 1985/1 den Einzel- 
fall eines nicht expliziten, sondern impliziten Rückgriffes auf die WVRK. 
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