Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

ne!949, sondern ein Strukturprinzip (Grundprinzip) der liechtensteini- 
schen Verfassungsordnung. 
Auch wenn der Staatsgerichtshof eine klare und eindeutige 
Aussage zu den Grundlagen des Vorrangprinzips bis heute vermieden 
hat, entspricht dieses Fazit seiner Praxis ebenso wie dem Bedürfnis 
des Kleinstaates Liechtenstein, sich die Gunst des Völkervertrags- 
rechts nicht nur zu erwerben, sondern auch zu erhalten. Die Beschwö- 
rung Walchs kann nicht oft genug wiederholt werden: „Jeder Staat 
und besonders der Kleinstaat ist auf die Einhaltung und Durchset- 
zung von internationalem Recht angewiesen. Dies ist letztlich der 
einzige Schutz, der dem Kleinen im Konzert der Grossen zur Verfü- 
gung steht^1950, Mit seinem Wort vom ,konstitutiven ... Stellenwert 
der Vólkerrechtsordnung für die Staatlichkeit Liechtensteins"!95! hat 
Thürer die gleiche Sprache gesprochen. 
Umso mehr wird sich die Aufmerksamkeit in Zukunft auf die 
Praxis des Staatsgerichtshofes richten. Der Grund hierfür ergibt sich 
unter Gesichtspunkten, die sowohl nach aussen als auch nach innen 
weisen: 
Zum einen ist dem Druck der Staatengemeinschaft mit dem 
Ziel einer verstárkten Zusammenarbeit zu entsprechen. Dieser Druck 
hat sich gerade in den vergangenen Jahren verstärkt und stellt an die 
liechtensteinische Aussenpolitik noch sehr viel höhere Anforderun- 
gen als dies in der Vergangenheit der Fall gewesen ist1952. Verläss- 
lichkeit und Glaubwürdigkeit sind die einzigen Mittel, ihm zu begeg- 
nen. Im Verhältnis zwischen dem Landes- und dem Vólkervertrags- 
recht ist Unberechenbarkeit Gift. 
Zum anderen ist ein für alle Staatsorgane massgebendes Ver- 
stándnis des Vorrangprinzips deshalb durchzusetzen, weil sich auf 
den Nebenschauplátzen der sog. Verfassungsdiskussion eine Reihe von 
Erosionserscheinungen eingestellt haben, die sich für die internationale 
Position Liechtensteins als dusserst verhángnisvoll erweisen können. 
Die fatale Vielgestaltigkeit der Standpunkte, die sich in jüngster Zeit 
(unter anderem auch innerhalb der Praxis ein und desselben Staatsorgans 
wie vor allem der Regierung) in einem dramatischem Auseinanderdrif- 
ten1953 manifestiert hat, ist so bald wie môglich einzudämmen. Dies 
1949 Siehe hierzu das 6. Kapitel. 
1950 Walch S. 3. 
1951 Thürer (Vólkerrechtsordnung) S. 112 (Kursivstellung durch den Verfasser). 
1952 Siehe hierzu das 5. Kapitel Pkt. 3. 
1953 Siehe hierzu die Regierung (BuA Nr. 88/2002) S. 7: ,Einen allgemeinen Grundsatz, wonach 
das Vólkerrecht dem innerstaatlichen Recht vorgeht, kennt das liechtensteinische Recht 
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