Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

4.1.2.4 
Nicht nachvollziehbar ist es vor allem aber auch, so vorzuge- 
hen wie es die Regierung im Zuge der sog. Verfassungsdiskussion ge- 
tan hat und Verfassungsinitiativen an völkerrechtlichen Verträgen zu 
überprüfen, von denen behauptet wird, dass sie zwar „zumindest auf 
Gesetzesstufe stehen", jedoch ,grundsátzlich"!595 keinen Verfas- 
sungsrang besitzen kónnen. Aus welchem Grunde sollten Verfas- 
sungsinitiativen an Vólkervertragsrecht auf einer Rechtsquellenstufe 
unterhalb der LV zu überprüfen sein? Die Lehre hat in diesem Zu- 
sammenhang einen ganz anderen Ansatz gewählt und ist von der 
Unmöglichkeit ausgegangen, andere vôlkerrechtliche Verträge als 
Prüfungsmasstab zuzulassen als solche, denen , Übergesetzes-, Ver- 
fassungs- oder Überverfassungsrang zukommt“15°6, Dieser Stand- 
punkt entspricht der Logik ebenso wie der Lehre vom Stufenbau des 
Rechts, wie er der liechtensteinischen Verfassungsordnung zugrun- 
deliegt 1597, 
Unterschiede in den Rechtserzeugungsverfahren 
Dagegen, dass die Rangbestimmung des Völkervertrags- in seinem 
Verhältnis zum Landesrecht durch einen Rückgriff auf die schemati- 
sche Mechanik Winklers erfolgen kann, spricht der Umstand, dass 
sich die Rechtserzeugungsverfahren in Bezug auf Staatsverträge ei- 
nerseits (Art. 8 Abs. 2 LV i.V.m. Art. 62 Bst. b LV) und formelle Ge- 
setze andererseits (Art. 65 LV i.V.m. Art. 62 Bst. a LV) sowohl formell 
als auch materiell unterscheiden: 
e Das , Recht der Initiative in der Gesetzgebung“ gemäss Art. 64 
LV gilt nur für formelle Gesetze!998 und nicht auch für vólker- 
rechtliche Verträge (und zwar unabhängig davon, ob es sich 
um Primär- oder -sekundärrecht handelt). Umgekehrt setzt 
der Erlass eines formellen Gesetzes einen entsprechenden (Ge- 
setzes-)Beschluss des Landtages gemáss Art. 65 Abs. 1 LV vor- 
aus, wahrend vólkerrechtliche Vertráge wenn auch nicht in- 
nerstaatlich, so doch zwischenstaatlich auch ohne den Akt 
einer Genehmigung gemäss Art. 8 Abs. 2 LV Rechtskraft besit- 
zen können 1599, 
1595 Regierung (BuA Nr. 88/2002) S. 7. 
1596 Siehe hierzu Batliner (Volksrechte) S. 165f. 
1597 Siehe hierzu oben Pkt. 2.2.2. 
1598 Siehe zur Praxis der Ausübung des Initiativrechts bei formellen Gesetzen Ritter (Gesetzge- 
bungsverfahren) S. 71ff. 
1599 Siehe hierzu das 7. Kapitel Pkt. 2.1. 
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