Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

In diesem Falle sähe sich der Staatsgerichtshof unter Umständen 
(abermals) dazu gezwungen, zu seiner „strenge(n) Kundmachungs- 
rechtsprechung“ 1190 zurückzukehren und diese (abermals) ohne 
Wenn und Aber durchzusetzen. Was dies bedeutet, liegt auf der 
Hand: Sollte die Kundmachung einer Rechtsvorschrift i.S.v. Art. 3 
Bst. c KmG in diesen Fällen nicht verfassungs- und gesetzmässig 
sein, würde das Gespenst einer Aufhebbarkeit gemäss StGH 1993/4 
wiederaufleben und den Staatsgerichtshof zu einer Reaktion im Sin- 
ne einer zu jedem Zeitpunkt bestehenden „Möglichkeit der Anfech- 
tung” 1191 zwingen. 
Kommentar 
Ein Kommentar zur Praxis des Staatsgerichtshofes in StGH 1986/1 
und in StGH 1993/4 kann sich in Kürze fassen: In beiden Anlassfál- 
len hatte der Staatsgerichtshof auf die über Jahre, wenn nicht Jahr- 
zehnte bestehenden Missstánde der Kundmachung des Wirtschafts- 
vertragsrechts zu reagieren und einen Ausweg aus dieser Situation in 
freier richterlicher Rechtsfindung zu beschreiten. Im Korsett des Art. 104 
LV ist er dabei an die Grenzen seiner Zustándigkeit geraten — wenn 
nicht über diese hinaus: Die beiden Wirksamkeitsformen der Behór- 
denverbindlichkeit gemáss StGH 1985/1 und der Aufhebbarkeit ge- 
máss StGH 1993/4 sind der Not gehorchende Schôpfungen sui gene- 
ris; es handelt sich um nicht verfassungsrechtlich, sondern um 
verfassungsgerichtlich erzeugte Aggregatszustände praeter constitu- 
tionem. 
Mit dieser Einschätzung hat sich das Thema jedoch nicht er- 
schôpft — im Gegenteil: Wie es scheint, wird der Staatsgerichtshof zu 
jenen Ausbruchsversuchen, zu denen er sich in StGH 1985/1 und in 
StGH 1993/4 aufgrund der Lage der Dinge genôtigt sah, auch in Zu- 
kunft — und zwar von Verfassungs wegen — gezwungen sein. 
In den Erläuterungen der Regierung zu dem von S.D. dem 
Landesfürsten am 2. August 2002 vorgeschlagenen Art. 104 Abs. 2 er- 
ster Satz LV (Überprüfung völkerrechtlicher Verträge auf ihre Ver- 
fassungsmássigkeit!!9?) wird auf die Praxis in StGH 1993/4 insofern 
verwiesen, als dieses Erkenntnis als ein Ausweg aus der Rigidität ei- 
ner Kassation von (verfassungswidrigem) Vólkervertragsrecht heran- 
1190 StGH 1996/28, LES 2/1998 S. 58. 
1191 StGH 1993/4, LES 2/1996 S. 49. 
1192 Siehe hierzu das 25. Kapitel Pkt. 3.2.4. 
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