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„Ziel- ... und Verfahrens-", oder nicht auch um „Schrankenvor-
schriften“919 handelt, ist nach wie vor ungewiss. Auch wenn der
Staatsgerichtshof auf die Existenz einer ,liechtensteinischen Rechts-
überzeugung “211 wiederholt hingewiesen hat, scheinen sich die
massgebenden formellen und materiellen Gesichtspunkte gegensei-
tig zu neutralisieren. Ein Fazit fállt unter diesen Voraussetzungen so-
wohl nach innen (Verfassungsschranken) als auch nach aussen
(Staatsvertragsschranken) schwer.
Trotzdem diirfte die Feststellung, dass sich die Verfassungs-
redaktion der Jahre 1920 und 1921 von einer Reihe von ,Grundent-
scheidungen' leiten liess, nicht von der Hand zu weisen sein. Zu die-
sem Verfassungskernbestand gehóren in erster Linie das Rechtsstaats-,
das Rechtsschutz und das Demokratieprinzip sowie, in zweiter Linie,
die durch die Grundrechte garantierten Rechtspositionen der Einzel-
nen. Einige dieser Garantien überlappen sich an ihren Rándern. Ge-
meinsam ist ihnen, dass sie unverrückbar sind, soll die liechtensteini-
sche Verfassungsordnung nicht einen Teil ihrer Identitát verlieren.
Insofern kann von (Verfassungs-)Grundsützen gesprochen werden, die
,auch die vertragsschliessende Gewalt verpflichten"?! 2
Schliesslich ist auf den Umstand hinzuweisen, dass der
Staatsgerichtshof bis heute davon abgesehen hat, dem Wirtschafts-
vertragsrecht gegenüber Vorbehalte in Form von Verfassungs- oder
Staatsvertragsschranken geltend zu machen?!3; die materielle (nicht
formelle) Verfassungsmässigkeit der in Liechtenstein aufgrund der
Wirtschaftsverträge geltenden Schweizerischen Rechtsvorschriften
wird vom Staatsgerichtshof nach wie vor nicht überprüft. Das Wirt-
schaftsvertragsrecht ist - dem Landesrecht gegenüber — in diesem
Umfang immun. Die Vermutung, die sich aus diesem Umstand ergibt,
liegt auf der Hand: Zu vermuten ist, dass der Staatsgerichtshof des-
halb auf eine Überprüfung der materiellen (nicht formellen) Verfas-
sungsmássigkeit des Wirtschaftsvertragsrechts verzichtet hat, weil es
sich bei diesem um supranationales Recht handelt?!^, das im Landes-
recht unter der Bedingung einer Durchbrechung der liechtensteini-
schen Verfassungsordnung ein- und durchgeführt wird (vor allem im
Widerspruch zur Gesetzgebungshoheit des Landes und seiner Insti-
Thürer (Vélkerrechtsordnung) S. 117.
StGH 1987/3, LES 2/1988 S. 54.
Postulatsbeantwortung S. 13.
Siehe hierzu das 25. Kapitel Pkt. 3.2.4.
Siehe hierzu das 10. Kapitel Pkt. 4.1.2.2.
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