steht in erster Linie darin, die „Mitwirkung“876 des Landtages
beim Abschluss völkerrechtlicher Verträge sicherzustellen; bei
dieser Mitwirkung handelt es sich um eine Kontrollfunktion8”".
In zweiter Linie kann aus Art. 8 Abs. 2 LV abgeleitet werden,
dass die LV den Abschluss eines vôlkerrechtlichen Vertrages
in den in dieser Bestimmung genannten Fällen nicht nur im-
plizit, sondern auch explizit erlaubt.
In diesem Sinne bildet Art. 8 Abs. 2 LV nicht nur eine ,Ver-
handlungsvollmacht' an die Tráger der Auswártigen Gewalt
(Landesfürst und Regierung), sondern auch den Schlüssel für
ein Verstündnis von Art und Umfang jener Vertretungsbefugnis,
die dem Landesfürsten und der Regierung von Verfassungs
wegen übertragen ist: In den in Art. 8 Abs. 2 LV genannten
Fällen ist es der Auswärtigen Gewalt ohne weiteres, d.h. oie
eine Berücksichtigung positiv-rechtlicher Vorbehalte móglich, vól-
kerrechtliche Bindungen einzugehen, d.h. solche Rechte und
Pflichten für das Land und seine Institutionen ebenso wie für
die Einzelnen zu begründen, die von der LV abweichen878,
Darüber, ob diese Bindungen ein bestimmtes (Hóchst-
)Mass nicht überschreiten dürfen, wird in Art. 8 Abs. 2 LV ge-
schwiegen; der Ausübung der Auswártigen Gewalt durch Lan-
desfürst und Regierung zieht Art. 8 Abs. 2 LV ebensowenig
Grenzen wie eine andere Bestimmung der LV. Diese Abwesen-
heit von Verfassungs- in Form von Staatsvertragsschranken
scheint den Staatsgerichtshof zu seiner Erklárung gebracht zu
haben, dass mit Art. 8 Abs. 2 LV unter anderem auch eine
,Verfassungsmássige Grundlage für ... Eingriffe in das verfas-
sungsmássig garantierte Recht der Staatsbürger 9/7? gegeben
sei. Die gleiche Sprache sprechen die Óffnungsklauseln der Art.
876 Art. 62 Bst. b LV.
877 Siehe hierzu das 7. Kapitel Pkt. 2.1.
878 Einen anderen Standpunkt scheinen Winkler (Prüfung) S. 8 ebenso wie — in jüngster Zeit —
auch die Regierung (Schreiben vom 22. Oktober 2002) S. 5 insofern einzunehmen, als den
von Liechtenstein abgeschlossenen vólkerrechtlichen Vertrágen in jedem Falle hóchstens ein
Unterverfassungsrang zuzuschreiben sei, woraus sich ergebe, dass sie ,zur Verfassung nicht
im Widerspruch stehen dürfen, mag ihnen der Landtag auch zugestimmt haben". In diesem
Zusammenhang ist auf das Gutachten des Staatsgerichtshofes (ohne Geschäftszahl) vom 7.
Márz 1956, ELG 1955-1961 S. 111 hinzuweisen, in dem davon, dass ein vólkerrechtlicher
Vertrag ,die durch die liechtensteinische Verfassung gewáhrleisteten Rechte der Staatsbür-
ger“ unter Umständen „verletzt“, wie von einer Selbstverstándlichkeit die Rede ist. Ist dem
aber so, muss aufgrund der Praxis des Staatsgerichtshofes von der Möglichkeit ausgegangen
werden, dass völkerrechtliche Verträge zur LV unter Umständen sehr wohl im Widerspruch
stehen können. Siehe zu allem das 14. Kapitel.
879 StGH XIII./1947-1954, ELG 1947-1954 S. 201.
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