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Punkt nicht Halt gemacht gemacht werden. Denn trotz dem, was in
der sog. Verfassungsdiskussion praktiziert worden ist, mahnt der Um-
stand, dass die LV über die Grenzen ihrer Änderbarkeit schweigt, zu
äusserster Vorsicht871. So ist der LV — um ein Beispiel zu nennen - nur
über Umwege zu entnehmen, dass sie der Idee einer Normenhierarchie
verschrieben ist, die dispositive von nicht-dispositiven Werten unterschei-
det: Eine solche Rangordnung kommt nach aussen hin nicht zum
Ausdruck (indem Verfassungsrevisionen z.B. je nach ihrem Gegen-
stand auf eine unterschiedliche Art und Weise behandelt werden),
und nach innen begegnet der Versuch, im (geschriebenen oder unge-
schriebenen) Verfassungsrecht verschiedene Werte-Ebenen offenzu-
legen, von denen die einen — ihrer Eigenart wegen — über den ande-
ren stehen, nach wie vor einer Reihe von Schwierigkeiten. So werden
Initiativen, die sich auf eine Verfassungsrevision richten (Verfas-
sungsinitiativen i.S.v. Art. 64 Abs. 4 LV), „auf ihre Übereinstimmung
mit der Verfassung selbst872, d.h. ,auf ihre Übereinstimmung mit
den Inhalten der geltenden Verfassung/9/? micht überprüft9/^ und
auch bei Gesetzesinitiativen i.S.v. Art. 64 Abs. 2 LV unterscheidet das
VRG nach unterschiedlichen Prüfmasstáben nicht; zwischen ,wei-
chem' und ,hartem' Verfassungsrecht wird nicht differenziert$/», Und
dennoch: Dass sich die LV selbst zur Disposition stellt, ist urwahr-
scheinlich. Denn warum spricht sie in ihrem Art. 114 sonst von ihrem
,Geist'?
Mit der LV ist vor allem behutsam umzugehen; Subtilitàt tut
not. Ohne den Anspruch zu erheben, auf diesem Weg zu Ergebnissen
(geschweige denn zu verbindlichen) zu gelangen, ist auf die Frage,
ob der LV Verfassungs- in Form von Staatsvertragsschranken zugrun-
deliegen, unter den folgenden beiden Gesichtspunkten einzugehen:
e Der Sinn und Zweck des in Art. 8 Abs. 2 LV enthaltenen Ka-
talogs von sieben verschiedenen Zustimmungskriterien be-
Siehe hierzu die Überlegungen bei Kley (Kommentar) S. 258.
Hoop S. 304.
Regierung (BuA Nr. 88/2002) S. 7.
Siehe hierzu die Regierung (BuA Nr. 88/2002) S. 7 sowie den BuA Nr. 50/2001 (Bericht und
Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein betreffend die Vorprü-
fung der angemeldeten Volksinitiative zur Abánderung von Art. 20 der Landesverfassung) S.
6: ,Es kann somit festgehalten werden, dass die gegenstándliche Verfassungsinitiative nicht
auf ihre Übereinstimmung mit der geltenden Verfassung zu prüfen ist" unter Berufung auf
Batliner (Volksrechte) S. 165.
Verfassungsinitiativen kónnen nach Batliner (Volksrechte) S. 167 auch Materien zum Gegen-
stand haben, die an sich auf der Stufe eines formellen Gesetzes anzusiedeln sind — was an
das Absinthverbot der alten BV gemahnt.
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