Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

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ränitätspolitischer Sicht — äusserst kritische Kompetenz (das in diesem 
Umfang bestehende Gesetzgebungsmonopol des Schweizerischen 
Bundesrates)/!? ist der Gesetzgebungshoheit des liechtensteinischen 
Verfassungs-, Gesetz- und Verordnungsgebers ,im Rahmen der 
übertragenen Kompetenzen"71^ nicht unter-, sondern übergeordnet": 
Jede Notifikation gemáss Art. 10 ZV bzw. jede Wahrnehmung dieser 
Bestimmungs- und Mitteilungskompetenz durch den Schweizeri- 
schen Bundesrat führt dazu, dass in Liechtenstein in den betreffen- 
den Sachbereichen endgültig und abschliessend Recht gesetzt wird!6. 
In diesen Fállen, d.h. in Zoll- und Handelssachen, ist Liechtenstein 
„der Hoheitsgewalt der Schweiz unterstellt"/!7; es handelt sich um 
eine einseitige und unbedingte liechtensteinische , Verpflichtung zur 
ELG 1947-1945 S. 204 hat der Staatsgerichtshof die Frage offen gelassen, ob ,authochto- 
ne(s) Recht ... mit dem auf Grund des Zollvertrages in Liechtenstein anwendbaren eidgenós- 
sischen ... Recht in Widerspruch steht und daher unverbindlich ist". Dies konnte er jedoch nur 
in der Annahme tun, dass Liechtenstein dazu befugt ist, in Zoll- und Handelssachen, d.h. im 
Geltungsbereich der Wirtschaftsverträge, (Landes-)Recht zu setzen. In StGH 1981/18, LES 
2/1983 S. 41 wird davon gesprochen, dass ,der Inhalt der in Liechtenstein zu übernehmenden 
Schweizer Rechtsvorschriften einseitig von der Schweiz festgelegt (wird)", dass ,übernomme- 
ne Schweizer Gesetze in Liechtenstein jedenfalls auch als liechtensteinische Gesetze und 
Schweizerische Verordnungen auch als liechtensteinische Verordnungen gelten" und dass der 
Inhalt des Wirtschaftsvertragsrechts ,nicht an der liechtensteinischen Verfassung gemessen" 
werden kann. Diese Feststellungen bedeuten nichts anderes, als dass das Wirtschaftsver- 
tragsrecht eine Mitgestaltungsmóglichkeit Liechtensteins innerhalb der Rechts- und Wirt- 
schaftsgemeinschaft mit der Schweiz nicht zur Voraussetzung hat und dass Wirtschaftsver- 
tragsrecht Landesrecht nicht nur ersetzt, sondern verdrängt. Schliesslich ist auf die 
Darstellung von Batliner (Beziehungen) S. 36 sowie des Bundesrates (Beziehungen) S. 171 
in Bezug auf die Arbeitsgesetzgebung hinzuweisen: Zur Kompetenz des Landtages, ein Ar- 
beitsgesetz zu erlassen, ist es Mitte der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts erst 
aufgrund eines Beschlusses des Schweizerischen Bundesrates gekommen, ,das schweizeri- 
sche Arbeitsgesetz von 1964 in seiner Gesamtheit von den Bestimmungen der schweizeri- 
schen Bundesgesetzgebung, deren Anwendung in Liechtenstein durch den Zollvertrag be- 
dingt ist, auszunehmen“. In der Folge ist es zwischen der Schweiz und Liechtenstein zu 
einem Notenaustausch vom 11. Dezember 1967 über die Mitwirkung des Eidgenóssischen 
Arbeitsinspektorates beim Vollzug des liechtensteinischen Arbeitsgesetzes gekommen, n. 
publ.; LR 0.822.910.11. 
Siehe hierzu Wille (Integration) S. 392ff, und zwar vor allem zum Geltungsbereich der 
übrigen Bundesgesetzgebung, soweit der Zollanschluss ihre Anwendung bedingt" i.S.v. Art. 
4 ZV. In diesem Zusammenhang scheint Wille (Integration) S. 393 davon auszugehen, dass 
sich eine Verwirklichung des Postulats, dass in diesen Sachbereichen ,autonome liechten- 
steinische Regelungen móglich sein (müssen)", nur über eine Revision des ZV erreichen lie- 
sse: ,Bereiche der ,übrigen Bundesgesetzgebung' sollte Liechtenstein mit eigenen Gesetzen 
ausfüllen kónnen, ohne dass dadurch der Zollvertrag Schaden nimmt". 
Gyger S. 61. 
Thürer (Vólkerrechtsordnung) S. 123 spricht in diesem Zusammenhang von ,erheblichen 
Souveránitátseinbussen". 
In diesem Zusammenhang drängt sich eine Analogie zur Rechtslage in der EU auf, wie sie 
vom EuGH in der Rs 6/64, Costa/ENEL, Slg. 1964 S. 1271 als eine „endgültige Beschränkung 
der Hoheitsrechte" charakterisiert worden ist. 
Bruha/Büchel (Grundfragen) S. 10. 
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