Volltext: Die Verfassungsbeschwerde zum Staatsgerichtshof

gestaltet, der sich an die Volksvertretung richtete.29Der Bürger hatte die Möglichkeit, sich wegen der Verletzung seiner verfassungsmässigen Rechte durch kantonale Behörden an die politischen Instanzen zu wen- den, die diese Beschwerde an das Bundesgericht weiterverweisen konn- ten. Doch geschah dies tatsächlich bis zur Verfassungsrevision von 1874 nur in einem einzigen Fall.30Erst Art. 113 der schweizerischen Bun des - ver fassung von 1874 wies dem Bundesgericht grundsätzlich die Kom pe - tenz für Verfassungsstreitigkeiten zu, während die politischen Bundes - be hörden für politische und administrative Streitigkeiten zuständig waren. Indes galten nach Massgabe des Organisationsgesetzes von 1874, das die nähere Kompetenzverteilung regelte, Streitigkeiten auf dem Ge - biet der Handels- und Gewerbefreiheit, der Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit, der Niederlassungsfreiheit sowie wahlrechtliche Streitig - kei ten noch als politische Fragen.31Erst mit der Revision des Organisa - tions gesetzes in den Jahren 1893 und 1911 wurden dann die den politi- schen Bundesbehörden bis dahin vorbehaltenen Verfassungsver let zun - gen dem Bundesgericht übertragen. Einen ganz wesentlichen Entwicklungsschub erfuhr das Institut der Verfassungsbeschwerde dann mit der Errichtung des deutschen Bun - des verfassungsgerichts, in dessen Judikatur die Verfassungsbeschwerde nicht nur für das Selbstverständnis des Gerichts, sondern auch für seine Akzeptanz in der Bevölkerung eine hervorragende Rolle spielt.32Die Verfassungsbeschwerde gemäss Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG stellt in einem bis dahin unbekannten Masse – sieht man noch einmal vom sogleich zu betrachtenden liechtensteinischen Modell ab – umfassend sicher, dass die Grund rechte als Kernstück der Verfassung gegen jede Beeinträchtigung durch Akte staatlicher Gewalt geschützt 
werden.3323 
Dogmengeschichtliche Entwicklungslinien 29Vgl. Art. 105 der Bundesverfassung von 1848. 30Vgl. dazu Andrea Hans Schuler, Die Verfassungsbeschwerde in der Schweiz, der Bundesrepublik Deutschland und Österreich, 1968, S. 47f. 31Dazu Andrea Hans Schuler, aaO, S. 49. 32Zur Entstehungsgeschichte vgl. aus jüngster Zeit Sabine Hain, Die Individual ver - fassungsbeschwerde nach Bundesrecht. Von den Vorarbeiten zu einer deutschen Verfassung bis zur Aufnahme der Verfassungsbeschwerde ins Grundgesetz, 2002. 33Siehe auch Ernst Benda/Eckart Klein, Verfassungsprozessrecht, 2. Aufl. 2001, Rn. 359.
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.