Volltext: Die Verfassungsbeschwerde zum Staatsgerichtshof

den und die Verletzung der verfassungsmässigen Rechte zu rügen. Die Stän deversammlung ihrerseits konnte nach Überprüfung der Be schwer de den Landesherrn anrufen. Wegweisend war insoweit vor allem die bayeri- sche Verfassung von 1818 und die dort in Titel VII § 21 gewährleisteten «Beschwerden über Verletzung der constitutionellen Rechte».22Das Recht des Einzelnen war damit zwar nur als mittelbare Ver fas sungs - beschwerde konzipiert; gleichwohl war hiermit bereits ein Grundstein für die weitere Entwicklung individueller verfassungsmässiger Rechte ge legt. Die Verfassungsbeschwerde fand dann Aufnahme in den Zu stän - dig keitskatalog, den die Reichsverfassung von 1849 dem Reichsgericht zuwies. § 126 lit. g eröffnete jedem deutschen Staatsbürger den Rechts - weg bei Verletzung seiner reichsverfassungsmässig gewährleisteten Rechte, während § 126 lit. f und h Individualklagen wegen Verfassungs - ver let zungen und verweigerter Rechtspflege innerhalb eines Landes zu- liessen.23Die nähere Ausgestaltung, vor allem der Umfang des Klage - rechts, blieb allerdings einem Reichsgesetz überlassen, das infolge des Scheiterns der Verfassungsbewegung nicht erlassen wurde. Auch die Er - fur ter Unionsverfassung vom 29. April 1850, in der die Bestimmungen der Paulskirchenverfassung über das Reichsgericht im Wesentlichen übernommen worden waren, trat nie in Kraft.24In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trat die Idee der (verfassungs)gerichtlichen Lösung verfassungsrechtlicher Fragen zurück hinter die politische Streitent - schei dung. Folgerichtig fehlten sowohl in der Verfassung des Norddeut - schen Bundes als auch in der Reichsverfassung von 1871 Regelungen zum Institut der Verfassungsbeschwerde. In die Weimarer Reichs ver fas - sung wurde dann zwar im Unterschied zur Bismarckschen Verfassung ein ausführlicher Grundrechtskatalog aufgenommen, dennoch fehlte 21 
Dogmengeschichtliche Entwicklungslinien 22Dazu eingehend Oda Müller, Die Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818 (1818–1848), 2000; s. auch Josef Wintrich/Hans Lechner, Die Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Karl August Bettermann/Hans Carl Nipper dey/ Ulrich Scheuner, Die Grundrechte, Bd. III/2, S. 643 (670 ff.). 23Näher hierzu Jörg-Detlef Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2. Aufl. 1998, S. 197 ff.; ferner Pirmin Spiess, Die Verfassungsbeschwerde – Von der Pauls - kirche zum Grundgesetz?, in: Jürgen Wolter/Eibe Riedel/Jochen Taupitz (Hrsg.), Einwirkungen der Grundrechte auf das Zivilrecht, Öffentliche Recht und Strafrecht, 1999, S. 55 ff. 24Dazu etwa Ulrich Scheuner, Die Überlieferung der deutschen Staatsgerichtsbarkeit im 19. und 20. Jahrhundert, in: Christian Starck, Bundesverfassungsgericht und Grund gesetz, Festgabe aus Anlass des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungs - ge richts, Band 1, 1976, S. 1 (30).
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.