Volltext: Die Verfassungsbeschwerde zum Staatsgerichtshof

b)Die neuere Judikatur des Staatsgerichtshofs In seiner Entscheidung zum Ehepaarrentensystem des AHV-Gesetzes vom 24. Mai 1996890sieht sich der Staatsgerichtshof dann veranlasst, die Entscheidungsvariante der Appellentscheidung ganz grundsätzlich zu problematisieren.891Dabei sieht sich der Staatsgerichtshof ausdrücklich «vor dem Dilemma, dass er einerseits nicht umhin kann, die offensicht- liche Verfassungswidrigkeit der vom Beschwerdeführer gerügten Be - stim mungen …festzustellen, sich aber andererseits entgegen dem Wort - laut von Art. 38 Abs. 1 StGHG ausserstande sieht, die verfassungswid- rigen Bestimmungen aufzuheben».892Das Verfassungsgericht fährt fort: «Da Art. 38 StGHG …Appellentscheidungen nicht vorsieht, hat der Staatsgerichtshof damit aber stillschweigend eine sogenannte rechtspoli- tische Lücke bzw. eine planwidrige Unvollständigkeit im StGHG ange- nommen. …Tatsächlich stellen Appellentscheidungen eine pragmati- sche Mittellösung dar,893welche dem Verfassungsgericht erlaubt, un- zweideutig seine verfassungsrechtliche Leitfunktion wahrzunehmen und verfassungswidrige Rechtsnormen selbst dann als solche zu benennen, wenn eine Kassation aus gewichtigen praktischen oder verfassungspoli- tischen Gründen ausnahmsweise nicht realisierbar ist.» Und weiter: dass ein Bedürfnis bestehe, solche Appellentscheidungen zu fällen, habe sich auch in der Schweiz und insbesondere in Deutschland gezeigt.894 Der Staatsgerichtshof verweist in diesem Zusammenhang auch auf Art. 43 Abs. 2 StGHG, der es erlaubt, die Kassation von als verfas- sungswidrig erachteten Gesetzesbestimmungen um maximal sechs Mo - nate aufzuschieben.895Für Fallkonstellationen wie die zu beurteilende hält er aber diese Frist für zu kurz. Wenn aber, so führt er aus, «heute 196Entscheidungsinhalt 
und Entscheidungswirkungen 890StGH 1995/20 – Urteil vom 24. Mai 1996, LES 1997, 30 ff. 891Obwohl der StGH zugleich aaO, S. 30 feststellt, er könne sich «auf eine durchaus gefestigte Praxis sog. Appellentscheidungen abstützen». 892StGH 1995/20 – Urteil vom 24. Mai 1996, LES 1997, 30 (38). An dieser Stelle ver- weist der Staatsgerichtshof auch auf andere Konstellationen mit dieser Problematik, vermengt dabei aber die unterschiedlichen Varianten der Appellentscheidung im en- geren und im weiteren Sinne (dazu vorstehend, S. 194 ff). 893Diese Formulierung greift auch Andreas Kley, Grundriss des liechtensteinischen Verwaltungsrechts, S. 314 auf. 893StGH 1995/20 – Urteil vom 24. Mai 1996, LES 1997, 30 (38 f.) unter Bezugnahme auf Arthur Haefliger, Alle Schweizer sind vor dem Gesetz gleich, 1985, S. 254 f. 895Siehe dazu bereits vorstehend 2. b) bb), S. 192 ff.
	        

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