Volltext: Die Verfassungsbeschwerde zum Staatsgerichtshof

cc)Ungeschriebene Grundrechte als tauglicher Beschwerdegrund? Vor dem Hintergrund der skizzierten Grundrechtskonzeption stellt sich für das Fürstentum Liechtenstein das Problem ungeschriebenen Verfas - sungs rechts, speziell die Frage nach der Anerkennung ungeschriebener Grundrechte in besonderer Weise. In seiner älteren Judikatur hatte der Staatsgerichtshof insoweit ausdrücklich auf den (angeblichen?) Gegen - satz zwischen den Verfassungsrechtsordnungen Österreichs und Liech - ten steins einerseits und der Schweiz sowie Deutschlands andererseits507 abgehoben und die Existenz ungeschriebenen Verfassungsrechts abge- lehnt.508Auch diese Position hat der Staatsgerichtshof in jüngster Zeit ausdrücklich aufgegeben und damit – wie 
Hilmar Hochformuliert hat – «gewissermassen den traditionellen, durch den österreichischen Einfluss bedingten positivistischen ‹Bann› gegen ungeschriebenes Verfassungs - recht, jedenfalls gegen ungeschriebene Grundrechte, gebrochen.»509In dieser Leitentscheidung zum Willkürverbot510ist der Staatsgerichtshof auf deutliche Distanz zum österreichischen Vorbild gegangen: «Indessen hat sich die liechtensteinische Praxis die österreichische Konzeption der Geschlossenheit des Rechtsquellensystems nie konsequent zu eigen ge- macht, da jedenfalls im Grundrechtebereich eine Nachführung der Ver - fassung, wie dies insbesondere die schöpferische Rechtsprechung des 117 
Beschwerdegrund – Schutzobjekt der Verfassungsbeschwerde 507Siehe dazu auch Gerard Batliner, Die liechtensteinische Rechtsordnung und die EMRK, in: Peter Geiger/Arno Waschkuhn (Hrsg.), Liechtenstein, S. 91 (110 f.); Theo Öhlinger, EuGRZ 1982, 216 (217). 508Siehe StGH 1970/2 – Entscheidung vom 11. Januar 1971, ELG 1967–1972, 256 (259); siehe zudem auch Wolfram Höfling, Die liechtensteinische Grundrechts - ordnung, S. 24 f.; ferner etwa Kuno Frick, Die Gewährleistung der Handels- und Ge werbe frei heit nach Art. 36 der Verfassung des Fürstentums Liechtenstein, S. 4 f. 509Siehe Hilmar Hoch, Schwerpunkte in der Entwicklung der Grundrechtsprechung des Staatsgerichtshofes, in: Herbert Wille (Hrsg.), Festgabe Staatsgerichtshof, S. 65 (78); Hilmar Hoch, aaO, S. 78 f., weist allerdings darauf hin, der Staatsgerichtshof habe stillschweigend auch schon früher ungeschriebenes Verfassungsrecht aner- kannt, nämlich neben dem Grundsatz der unmittelbaren innerstaatlichen Geltung des Völkerrechts beispielsweise grundrechtsdogmatische Kategorien zur Prüfung von Grundrechtseingriffen. – In meiner Studie «Die liechtensteinische Grund - rechts ordnung» hatte ich auf S. 25, FN 25, darauf hingewiesen, dass der Staats ge - richtshof in StGH 1977/4 – nicht veröffentlichte Entscheidung vom 19. Dezember 1977, S. 19, es offengelassen hatte, «ob es ein ungeschriebenes Recht auf Ehe» gebe. Diese Formulierung muss nach Hilmar Hoch, aaO, S. 78, FN 63, «wohl eher als dogmatisches Versehen» gewertet werden. 510Dazu noch unten, S. 171 ff.
	        

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