Volltext: Beiträge zur liechtensteinischen Identität

auf Auschliessungen aufgebaut. Ausgeschlossen wird aber nicht nur et- was «draussen», sondern mehr noch die Widersprüche, Konflikte und Spannungen, die in jedem Drinnen sich finden. Was drinnen nicht sein soll, kommt von aussen dann feindlich und phantasmagorisch zurück. In einem kommentierenden Begleitbrief zu dem schönen 
Band Land Sichten,wo Land und Gegend von Liechtenstein vielfältig gesich- tet sind, hat Norbert Haas mich auf die eigentümliche Verwandlung des deutschen Pronomens WIR zu MIR im Dialekt aufmerksam gemacht. In dieser Konstellation von Dialekt und Schriftsprache spricht sich etwas aus: jedes «wir» stellt einen bestimmten, konkreten Bezug zu mir dar. Mir war das WIR immer etwas unheimlich, was ja bekanntlich nicht aus- schliesst, sondern einschliesst, dass es auch sehr heimlich und vertraut ist. Distanzierungen fielen mir aber immer leichter, und wenn ich «wir» sagte, dann eher in Abgrenzung von einer gegenwärtigen Gruppe. Symp to matisch ist eine Erinnerung aus der Zeit, als ich etwa 12 Jahre alt war, kurz vor dem Beginn meines Internatsaufenthalts in der Untern Waid. Einige Monate vor meinem Eintritt dort hatte der Triesner Pfarrer einen Ministranten-Ausflug dorthin organisiert, an dem ich auch teil- nahm. Am Nachmittag gab es ein Fussballspiel zwischen einer Gruppe der Triesner Ministranten und einem Team der jüngsten Gymnasiasten der Untern Waid. Ich selber, damals ein intensiver Fussballmuffel (eigentlich hatte ich einfach riesige Angst vor dem grossen harten Ball) war nur als Zuschauer beteiligt. Als dann die Waidler gewonnen hatten, sagte ich im Zug auf der Rückreise stolz und boshaft: WIR haben ge- wonnen! Worauf einer der Triesner Ministranten entrüstet sagte, aber Du gehörst doch noch nicht zu ihnen. Nein, ich gehörte noch nicht zu ihnen, aber ebenso wenig wollte ich zu denen im Zug gehören, und als ich dann «zu ihnen (den Waidlern, wie sie sich nannten) gehörte», da wäre mir auch in bezug auf diese Gemeinschaft kein WIR mehr über die Lippen gekommen. Es gibt viele Arten «wir» zu sagen. Ein schönes «wir» kann, unter Umständen, das der Solidarität sein. Das WIR kann auch abrupt wech- seln. Vor Jahren fand ich mich in Washington in einer Demonstration ge- gen die militärische Präsenz der USA in El Salvador Arm in Arm mit einer sehr engagierten, sehr sympathischen Nonne. Einige Monate spä- ter sah ich mich mit eben dieser Nonne in einer Gegendemonstration konfrontiert, als sie für ein Abtreibungsverbot, ich dagegen demon- strierte. Wir waren da nicht mehr «wir». 80Rainer Nägele
	        

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