Volltext: Beiträge zur liechtensteinischen Identität

Nationale Grenzen sind für die Arbeit, die Bildung und das Wohnen gänz lich irrelevant (geworden). Schliesslich verrät auch unsere Sprache die Dimensionen unseres Lebensraumes: Die Dialekte sind nicht nur dem Rhein entlang, sondern auch über den Rhein verwandt. Das heisst der Vaduzer und Seveler Dialekt sind sich in manchem näher als etwa der Vaduzer und der Ruggeller (Vgl. Hans Stricker). Der Begriff Lebensraum, wie ich ihn hier eingebracht habe, habe ich beim Sozialpsychologen Kurt Lewin aufgeschnappt. Zusammen mit dem Begriff Gruppendynamik stand das Wort im Zentrum von Lewins Schaffen. Es scheint vorneweg plausibel, dass man die Identität einer Ge - sellschaft allenfalls besser mit solchen sozialpsychologischen Begriffen zu fassen bekommen könnte, als mit den Theorien der Individual psy - cho logie. Es gäbe noch viel zu erforschen, was zu Liechtensteins Lebensraum gehört oder was man als Gruppendynamik bezeichnen könnte. Es wur- de schon erwähnt, dass Identität sich im Verhalten äussert. Hier könnte man anknüpfen. Holen wir etwas aus. Die Vereinigten Staaten sind ein grosses Land, sie werden allgemein als das Land der unbegrenzten Möglichkeiten anerkannt, obwohl es klei- ner ist als z.B. Kanada. Andere grosse Länder zehren nicht so sehr von ihrer Grösse, um ihre Identität weiter nähren zu können. Das entspricht Lewins Konzept von Lebensraum: Entscheidend ist nicht so sehr die ob- jektive geographische Realität, sondern die Wahrnehmung, die Bedürf - nisse und auch der Mythos der Bevölkerung in einem Lebensraum. Lebensraum könnte man also vielleicht als das bezeichnen, was in der geis tigen Auseinandersetzung und in der Interaktion des Menschen mit der ihn umgebenden Geographie (Umwelt) herauskommt. Die geographische Kleinheit Liechtensteins ist ein Faktum. Auch die Kleinheit der Bevölkerungszahl. Das ist nicht mehr als Geographie, bzw. Demographie. Über den Lebensraum Liechtenstein könnte man beispielsweise Folgendes sagen: Wir erzählen uns gerne von kurzen Amtswegen, davon dass man einander kennt und die Geschäfte unkom- pliziert abwickeln kann, weil man ja immer weiss, wen man anrufen muss. Das ist genauso ein Mythos wie der Mythos vom Land der unbe- grenzten Möglichkeiten. Auch wenn die Frage, «Wäm ghöörscht?» heu- te selten gestellt wird und auch verpönt ist, dürfte das Land immer noch demographisch klein genug sein, um versucht zu sein, in Sippen etc. zu denken. Und wie oft wurde schon gesagt, das wir ja so klein sind, und 144Pio Schurti
	        

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