Jede Erweiterung erhöht die Diversität der Europäischen Union in Form von geographischen, sozio-ökonomischen und kulturellen Unterschie - den zwischen den Staaten, Differenzen im politischen Engagement der Eliten und Wähler sowie Dissens über den wünschenswerten Umfang der Integration. Der Integrationsprozess hat frühere Erweiterungen dank eines europapolitischen Grundkonsenses der Mitgliedstaaten rela- tiv rasch verarbeitet. Die Aufnahme ehemaliger EFTA-Staaten wie Däne mark, Grossbritannien oder Schweden hat die Grenzen dieses Grundkonsenses jedoch klarer zutage treten lassen. Die anstehenden Osterweiterungen bescheren der Union einen ausserordentlichen Diversitätsschub und dürften zu einer weiteren Pluralisierung der euro- papolitischen Positionen führen. Die klassische Methode legte bislang die Hauptlast der Anpas sungs - kosten auf die Schultern der beitretenden Staaten, nicht auf jene der Union. Sie wird angesichts der Zahl und Heterogenität der Bewerber in Frage gestellt. Erstmals musste die Union vorgängig ihre eigene Er wei - terungsfähigkeit sicherstellen. Trotzdem besteht die EU vorerst weiterhin auf einer Übernahme des
Acquis,wenn auch mit langen Übergangsfristen. Die Forderung, den
Acquisso zu übernehmen wie er sich zum Zeit punkt der Beitrittsverhandlungen präsentiert, ist jedoch umso weniger glaub- würdig, je mehr Sonderlösungen und
opt-outsbereits für die EU-Mit - gliedstaaten bestehen. Flexible Lösungen für die Mitglieder gab es bisher vor allem in Randbereichen der Gemeinschaft (z.B. For schung, Um - weltpolitik) und bei noch nicht vorhandener Gemein schafts- bzw. Unionsreife bestimmter Sachgebiete (z.B. WEU, Schengen, Sozialcharta, Währungsunion), aber nicht im Rahmen des
Binnenmarkt-Acquis. Sonderlösungen müssen gut begründet werden, und «künftige Mitglie der (...) sollten aufzeigen, wie die Abweichungen, die sie verlangen, im weite- ren Sinne vereinbar sind mit den Zielen der Europäischen
Union».215 4.1.2 Bevorstehende Erweiterungen Die Hauptprobleme der Osterweiterung bilden neben den effizienzbe- dingten institutionellen Reformen die Agrar- und Strukturpolitik und 92Flexible
Integration 215Nicolaides 1998, 12.