Auch zum Ende unseres Jahrhunderts ist eine erneute historische Umbruchsituation gegeben, die gegenwärtige, als raum-zeitlos gül- tig intendierte Theorieansätze über die Staatsgrösse und die ent- sprechenden Implikationen von Kleinheit relativiert. Der Kleinstaat nämlich wird sich im Übergang zum 21. Jahrhundert auf neue so- ziale und politische Verkehrsformen sowie auf andere Zeitrhyth - men einzustellen haben – und er wird gesamthaft mehr in suprana- tionale Zusammenhänge eingebunden werden als jemals zuvor.45 Technische und wirtschaftliche Entwicklungen schaffen neue Möglich - keiten der Spezialisierung auch für kleine Wirtschaftseinheiten, die wach sende Institutionalisierung der internationalen Beziehungen regelt die Beschaffung und den Absatz von Gütern, und multilaterale Organi - sa tionen bieten Kleinstaaten völkerrechtlichen Schutz und Einfluss - nahme. Geser kommt deshalb zum Schluss, «dass Kleinstaaten mit wach sender Komplexität und Differenzierung der globalen Gesellschaft tendenziell immer günstigere Überlebens- und Entwicklungschancen finden».46Allerdings kann die zunehmende Multilateralisierung auch dazu führen, dass bisherige zumeist auf bilateralen Abkommen beru- hende Nischenpolitiken in Bedrängnis geraten.47Die Grösse von Staaten ist nach wie vor relevant, auch wenn sich Staaten vergleichbarer Grösse keineswegs gleich verhalten müssen, sondern unterschiedliche Strategien verfolgen können. «Ein
schwacherKleinstaat wird grösseres Gewicht auf einen möglichst
raschenAusbau einer übernationalen Gemeinschaft legen als auf ein umfangreiches Mitspracherecht in Einzelfragen», «ein starker Kleinstaat hingegen wird gerade an einem möglichst weitgehen- den Mitspracherecht interessiert
sein».48 Kleinstaaten und Integration Beim Beitritt von Klein- bzw. Kleinststaaten zu internationalen Organi - sa tionen treten zwei grundlegende Prinzipien, das völkerrechtliche Prin - 24Analytischer
Rahmen 45Waschkuhn 1991, 154. 46Geser 1992, 652. 47 Armstrong/Read 1998, 583. 48Binswanger 1970, 99.