von grösster Zurückhaltung geprägt. Der Grundrechtsschutz war nur sehr eingeschränkt gewährleistet. Zwar hat der Staatsgerichtshof seine Zu ständig keit zur Überprüfung von letztinstanzlichen Gerichtsent - schei dungen von Anfang an bejaht,8doch in die Zivil- und Straf ge richts - bar keit griff der Staatsgerichtshof während dieser Zeit nicht ein einziges Mal ein. Faktisch beschränkte sich der Staatsgerichtshof somit freiwillig auf den reduzierten Kompetenzbereich des österreichischen Verfas - sungs gerichtshofes. Hier spielte offensichtlich der Respekt gegenüber den Berufsrichtern in der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit eine wichtige Rolle. Gegenüber der nur von nebenamtlichen Juristen bestrittenen Ver - wal tungsgerichtsbarkeit schien dagegen weniger Zurückhaltung an ge - bracht. Doch auch bei der Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen hielt sich der Staatsgerichtshof während Jahrzehnten zurück. Wie in Öster reich und anfänglich auch in der Schweiz9überprüfte er ihm vor - ge legte Entscheidungen generell nur auf ihren subjektiven Will kürgehalt hin, und ein solcher war kaum einmal gegeben. Denn wenn sich die zu- ständige Instanz ersichtliche Mühe gegeben hatte, eine richtige Ent schei - dung zu fällen, erachtete der Staatsgerichtshof die Entscheidung nach diesem subjektiven Willkürverständnis auch dann nicht als verfassungs- widrig, wenn sie objektiv krass unrichtig ausgefallen war.10 Auch bei der Überprüfung der Verfassungsmässigkeit von Gesetzen und Verordnungen, also im Rahmen der sogenannten Normen kon - trolle11, erlegte sich der Staatsgerichtshof grösste Zurückhaltung auf. Zwar anerkannte er im Grundsatz schon relativ früh eine Grundrechts - bin dung nicht nur der Exekutive, sondern auch der Legislative; doch diese Grundrechtsbindung des Gesetzgebers beschränkte sich lange Zeit auf das Willkürverbot.12Ähnlich bestimmend wie beim österreichischen Verfassungsgerichtshof war auch beim Staatsgerichtshof das positivis ti - sche Grundrechtsverständnis, wie es der österreichische Verfassungs - 67
Schwerpunkte in der Entwicklung der Grundrechtssprechung 8StGH-Entscheidung vom 2.12.1931, in: Entscheidungen des Staatsgerichtshofes 1931, 39 (42); vgl. hierzu Höfling, Bestand, S. 118. 9Siehe hierzu die rechtsvergleichenden Hinweise bei Höfling, S. 221. 10So noch StGH 1977/8, LES 1981, 48 (52); siehe auch Höfling, a.a.O. 11Siehe hierzu nunmehr die diese Thematik erschöpfend behandelnde Monographie von Wille. 12Siehe Höfling, S. 72 mit Verweis auf StGH-Entscheidung v. 15.7.1955, ELG 1947 - 1954, 259 (264).