Volltext: Verfassungsgerichtsbarkeit im Fürstentum Liechtenstein

nämlich einer solchen Formel mit aller Strenge verschreiben, wäre sie für die Praxis untauglich, da eine Abgrenzung in «einfache» Rechts wid rig - keit und Grundrechtswidrigkeit kaum gelingt.194Der Staatsgerichtshof behält sich daher das Recht vor, letztinstanzliche gerichtliche Entschei - dun gen, die wegen unrichtiger Anwendung oder Auslegung eines Geset - zes angefochten werden, dann zu überprüfen, wenn sie in einem so erheblichen Masse fehlerhaft sind, so dass bei ihnen von Willkür gespro- chen werden muss.195So nimmt er im Rahmen eines Verfassungs be - schwer deverfahrens auf entsprechenden Antrag eine Willkürprüfung auch dann vor, wenn kein spezifisches Grundrecht betroffen ist.196Von einer Ausnahme (im eigentlichen Sinne) kann zwischenzeitlich aller- dings nicht mehr die Rede sein, nachdem der Staatsgerichtshof das Will - kürverbot als ungeschriebenes, eigenständiges Grundrecht anerkannt hat.197Dies zeigt sich in verfahrensrechtlicher Hinsicht darin, dass sich eine Verfassungsbeschwerde allein auf das Willkürverbot stützen kann, ohne zusätzlich noch eine Verfassungsbestimmung anrufen zu müssen, die spezifisch dem Schutz der Interessen des Beschwerdeführers dient. Jedenfalls tritt der Staatsgerichtshof auf eine Willkürbeschwerde gegen eine letztinstanzliche gerichtliche Entscheidung ohne weiteres ein.198 Auf die Willkürprüfung selbst, d.h. auf den Prüfungsvorgang, der nachstehend näher erörtert wird, hat die Anerkennung des Will kür - verbots als ungeschriebenes Grundrecht keine Auswirkungen. Sie ist da- von nicht betroffen, so dass sich eine Änderung in der Recht spre chung 56Herbert 
Wille 194Vgl. Höfling, Die liechtensteinische Grundrechtsordnung, S. 75 f. 195Vgl. StGH 1988/19, Urteil vom 27. April 1989, LES 3/1989, S. 122 (125), wo ausgeführt wird: «Da der Beschwerdeführer in keinem besonderen verfassungsmässigen garantier- ten Recht verletzt worden ist, bleibt einzig zu überprüfen, ob das Obergericht das ma- terielle Recht derart unsachlich und grob unrichtig angewendet hat, dass die getroffene Ent scheidung das aus Art. 31 Abs. 1 der Verfassung abgeleitete Willkürverbot verletzen würde. Dies wäre dann der Fall, wenn das Obergericht bei der Rechtsanwendung einen der art schweren Fehler gemacht hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit gleichzusetzen wäre». 196StGH 1998/42, Urteil vom 4. September 1998, LES 5/1999, S. 295 (298). 197Das Willkürverbot wird nicht als «spezifisches» Grundrecht angesehen, da es keinen klar abgrenzbaren Schutzbereich aufweist. 198In StGH 1998/75, Urteil vom 22. Februar 1999, LES 1/2, S. 1 (6 /Ziff. 4.4) weist der Staats gerichtshof darauf hin, dass es, auch wenn dem Willkürverbot ein Status eines unge schriebenen Grundrechts zuerkannt worden sei, nicht schade, wenn auch zukünf- tig in einer Willkürrüge auf Art. 31 LV Bezug genommen werde. Voraussetzung sei aller dings, dass die angefochtene Entscheidung ausdrücklich auch als willkürlich be- zeichnet werde.
	        

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