Volltext: Verfassungsgerichtsbarkeit im Fürstentum Liechtenstein

ten nicht so ohne weiteres auf die liechtensteinischen Verhältnisse über- tragen werden. Die Redaktionsarbeit erforderte eine gründliche Aus - einan dersetzung mit Sinn und Zweck, Funktion und Rolle der Ver fas - sungsgerichtsbarkeit. Das Staatsgerichtshofgesetz stellt denn auch nicht nur eine Rezeption österreichischen Rechts dar. Emil und Wilhelm Beck haben auch Neuland beschritten. Die Eigenleistung vermag ein Vergleich mit der damaligen öster- reichischen Rechtslage zu erhellen. Die Unterschiede sind signifikant. So ist nach dem liechtensteinischen Staatsgerichtshofgesetz jedes Gericht be fugt, in einem anhängigen Verfahren dem Staatsgerichtshof die Frage der Verfassungs- bzw. Gesetzmässigkeit der Rechtsvorschriften zur Prü - fung zu unterbreiten (Art. 28 StGHG). Die Antragstellung ist nicht wie in Österreich auf den Obersten Gerichtshof und den Verwaltungs ge - richts hof beschränkt. Die Verfassungsbeschwerde kann nach Art. 23 des Staatsgerichtshofgesetzes gegen eine Entscheidung oder Verfügung einer Ver waltungsbehörde und eines Gerichts nach Erschöpfung des Instan - zen zuges beim Staatsgerichtshof erhoben werden. In Österreich ist die Verfassungsbeschwerde zur Anfechtung gerichtlicher Urteile und Be - schlüsse nicht zugelassen.105Die selbständige Anfechtung von Regie - rungs verordnungen durch Stimmbürger und Stimmbürgerinnen106ist dem österreichischen Recht fremd. Diese Beispiele verdeutlichen die Eigenschöpfungen des liechtensteinischen Gesetzgebers. Zu den redaktionellen Problemen kam noch eine übermässige Inan - spruch nahme ihrer Arbeitskraft auf anderen Gebieten der Gesetz ge - bung. Der Zollvertrag mit der Schweiz und seine Ausführungs gesetz ge - bung wie überhaupt der Erlass von neuen Gesetzen im Nachgang zur Ver fassung 1921 nahm ihre ganze Kraft in Anspruch. Sie beklagen sich denn auch über allzu grosse Arbeitsbelastungen. Diese Umstände er- 35 
Verfassungsgerichtsbarkeit im Fürstentum Liechtenstein 105Vgl. auch StGH 1995/28, Urteil vom 24. Oktober 1996, LES 1/1998, S. 6 (11), wo der Staats gerichtshof unter Bezugnahme auf Gerard Batliner, Die liechtensteinische Rechts ordnung und die Europäische Menschenrechtskonvention, S. 112 f, ausführt: «Im Gegensatz zum österreichischen Verfassungsgerichtshof hat der StGH aber doch gemäss Art. 23 StGHG die Aufgabe, sämtliche mit Verfassungsbeschwerde angefochte- ne Endentscheidungen – also nicht nur Entscheidungen der VBI, sondern auch diejeni- gen des OGH – auf ihre Verfassungsmässigkeit zu überprüfen und allenfalls zu kassie- ren.» 106In der Literatur ist auch von «Kollektivpopularklage» die Rede. Siehe dazu Wille, Normenkontrolle, S. 87.
	        

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