Volltext: Verfassungsgerichtsbarkeit im Fürstentum Liechtenstein

ist und wie sie – bei sonstiger Strafe – nicht auszulegen ist. Er tut dies un- erwartet, überraschend, in «souveräner» Beliebigkeit, damit umso wirk- samer, und grössere allgemeine Unsicherheit verbreitend, im überschau- baren Land, wo jedermann leicht erfasst wird. Gewarnt sind Richter, Regierungsmitglieder, Beamte, die von der fürstlichen Ernennung ab- hängen, auch der Landtag, die Parteien und die Parteipresse bezüglich «ihrer» Leute in den Behörden, alle. Adressaten der Warnung sind vor allem diejenigen, welche von ihrer Zuständigkeit her zur Auslegung der Verfassung berufen sind: die Verfassungsrichter. Ihre Lage ist prekär, wenn sie die Verfassung in einem Punkt auslegen müssen, in welchem der Fürst widerspricht oder schon eine feste Position bezogen hat (z.B. gerichtliche Verfassungsauslegungskompetenz von Art. 112), wenn schon blosse abweichende Meinungsäusserungen mit Berufsverbot ge- ahndet werden. Unter solcher sachlicher und persönlicher Einfluss nah - me, wo entsprechend potenziell ein Berufsverbot droht, kann von Unabhängigkeit und Unbefangenheit der Richter schwerlich gesprochen werden, was auch immer deren innere Einstellung sein mag. Zumindest wird der Eindruck entstehen, dass die liechtensteinischen Verfassungs - rich ter (die ausländischen Richter kann das Berufsverbot nicht treffen) nicht in erforderlicher Serenität, nicht völlig unabhängig und unbefan- gen entscheiden. Damit aber erscheint die Mehrheit der Richter des Staatsgerichtshofes als infrage gestellt. Der Ersatz durch die stellvertre- tenden Richter hilft nicht weiter. Sie stünden vor demselben Problem. Dies gibt dem Eingriff eine neue Dimension. Nicht ein einzelner Rich ter ist durch einen anderen auszuwechseln. Die Verfassungsge - richts barkeit als solche wird betroffen. Der Zugriff auf die Richterunabhängigkeit erfolgt an der verletzt- lichsten Stelle, ganz am Anfang bei der Richter(nicht)bestellung und der (Nicht-)Wiederbestellung nach kurzer Amtsdauer, erfolgt sogar schon vor her als unausgesprochene Sanktion gegen verfassungsrechtliche Meinungsäusserungen, die dem Fürsten nicht genehm sind. Eine genü- gend lange, einzige Amtsdauer (z.B. 9 Jahre) für Richter brächte we- sentliche Verbesserungen und würde Einflussnahmen auf die Richter verringern, doch die Sanktionierung abweichender Meinungsäusse run - gen würde schon bei Erstbestellungen wirksam werden. Mit anderen Wor ten: Wenn die Mitwirkungszuständigkeit des Fürsten bei der Bestel - lung und Wiederbestellung dazu umfunktioniert wird, um abhängige Rich ter, Regierungsmitglieder und Beamte zu erhalten, dann erweist sich 128Gerard Batliner
	        

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