Volltext: Liechtenstein und die Revolution 1848

fürsten vorgelegten Steuerpostulaten dankbar zustimmen, ohne dass darüber 
diskutiert werden durfte. Obwohl der Landtag somit keine realen Kompe- 
tenzen besass, erhielten die «Steuerpostulatenlandtage» zumindest durch das 
Verfahren einen Anschein von demokratischer Mitwirkung. Dies war bei der 
Durchsetzung der Steuerabgaben zweifellos von erheblichem Vorteil. Die 
Vertretung des Volkes war bei der Beschlussfassung einbezogen oder zu- 
mindest begrüsst worden, man hatte den Abgeordneten zumindest erklärt, 
wieso die Abgaben nötig waren. Wenn der Landtag keinen Widerstand lei- 
stete, so liess sich dies — bei einer ausreichend wohlwollenden Betrach- 
tung auch als eine Art Zustimmung des Volkes interpretieren. 
Für das Funktionieren der Verwaltung erscheint von grosser Bedeutung, dass 
es keine klaren rechtlichen Regelungen über die Kompetenzen der Behörden 
und über das Verwaltungsverfahren gab. Es gab keine Gewaltenteilung; die 
Kompetenz zur Rechtsetzung, für den Verwaltungsvollzug wie auch für die 
Rechtsprechung waren bei den gleichen Behörden vereinigt. Weiter waren 
die Kompetenzen der einzelnen Behörden nicht klar gegeneinander abge- 
grenzt: die nächst höhere Behörde konnte jeden Entscheid aufheben. Klar ist 
lediglich, dass die Kompetenz zur Gesetzgebung nicht beim Oberamt lag, 
sondern dass der Fürst persönlich die Gesetze erliess. Selbst im Gemeinde- 
gesetz von 1842 fehlte eine klare Umschreibung der Gemeindeaufgaben. Die 
fehlenden rechtlichen Regelungen im Verwaltungsverfahren kamen beson- 
ders drastisch beim Untertanenpatent von 1832 zum Ausdruck. In Artikel 1 
dieses Gesetzes hiess es, dass jeder Untertan nicht nur bei Befehlen des 
Fürsten, sondern auch bei Verordnungen und Entscheidungen der Hofkanzlei 
wie auch bei Verfügungen des Oberamts «Gehorsam und Unterwürfigkeit 
schuldig» sei. In Artikel 2 hiess es weiter, dass, wenn ein Untertan einen 
Auftrag für nicht zulässig halte, er diesem Befehl trotzdem gehorchen müs- 
se, bis. die übergeordnete Instanz einen Entscheid gefällt habe. Eine Be- 
schwerde hatte damit von vornherein und grundsätzlich keine aufschie- 
bende Wirkung. 
Etwas besser als in der «politischen Gesetzgebung» sah es im Bereich der 
Rechtspflege aus, wo systematisch die österreichische Gesetzgebung rezi- 
piert wurde. Vieles hat sich aber auch im Bereich der Rechtsprechung aus 
der Praxis heraus entwickelt, wobei häufig keine Begründungen abgegeben 
wurden, wieso etwas so und nicht anders gehandhabt wurde. Die Rechts- 
staatlichkeit war noch wenig entwickelt. 
sr
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.