Nicht minder unlösbare Fragen, auf die es 1848 ebenfalls zu viele Antwor-
ten gab.
Die Freiheit der Nationalitäten verfassungs- und staatsrechtlich auf den
Begriff gebracht zu haben, war eine der grossen Leistungen der mitteleuro-
päischen Revolution von 1848. Frankreich konnte in dieser Hinsicht kein
grosses Vorbild sein. Dieser Freiheit umgekehrt soviel Gewicht beigemessen
zu haben, war eine ihrer entscheidenden Schwächen — den Folgen dieses
Denkens verdanken wir zwei Weltkriege, die Folgen dieses Denkens haben
wir bis heute zu tragen.
Die bürgerlichen Freiheiten in modernen parlamentarischen Verfassungen
erstmals präzise grundgelegt zu haben, bedeutete eine weitere wesentliche
Leistung der Generation von 1848. Wesentliche Errungenschaften wie die
andgültige Bauernbefreiung, die Grundentlastung, waren nach 1848 irre-
versibel und wurden durch die folgende kurze verfassungslose Ära auch
nicht angetastet.®
Hinsichtlich der Verfassungen reicht die Tradition sehr viel weiter zurück;
es waren nicht nur die amerikanische Unabhängigkeitserklärung und die
französische Verfassung, welche hier Pate gestanden haben: in den 70er
fahren des 18. Jahrhunderts war in der Toskana bereits ein Entwurf für eine
parlamentarische Verfassung ausgearbeitet worden” — und besonders
massgeblich hat auf die mitteleuropäische Verfassungsdiskussion die bel-
gische Verfassung von 1830 eingewirkt.“
Auch hier freilich bleibt zu fragen, ob die politische Partizipation auf der
Grundlage der Steuerleistung — Zensurwahlrecht — tatsächlich die einzig
mögliche Form an demokratischer Öffnung bedeutet hatte, ob nicht -— 1848 —
auch noch die Demokratisierung traditioneller ständischer Partizipations-
modelle möglich und sinnvoll gewesen wäre, so wie es die revolutionären
Ständevertreter ja auch nachdrücklich eingefordert hatten.
Der Fall Liechtenstein ist für diese — am traditionellen Recht orientierte —
Opposition ein besonders anschauliches Beispiel. Peter Kaiser und seine
Freunde forderten, wie im übrigen auch eine grosse Zahl von tirolischen,
niederösterreichischen und vor allem böhmischen Ständevertretern, auch die
Wiederherstellung der «traditionellen Rechte», welche durch die absoluti-
stische Modernisierungswut des zentralstaatlichen Eingreifens im 19. Jahr-
hundert zerstört worden waren.®!
So gesehen war 1848 — bei nicht wenigen Vertretern der revolutionären
In